Die Daemonen 01 - Die Daemonen
die Lebenskraft aussaugen?«
»Nein. Das wurde in früheren Zeiten von Dämonen versucht, aber das führte zu nichts weiter als Verfolgung und Untergang. Letzten Endes hat diese Vorgehensweise, glaube ich, sogar zum Errichten des Strudelgefängnisses geführt. Es geht auch anders. Ein Wirtskörper. Beständiges Einnisten. So ein Mensch hält mehrere Jahrzehnte lang. Erst dann muss man wechseln.«
»Aber ein einzelner Mensch bringt ziemlich wenig Lebenskraft, oder?«
»Kommt drauf an, was man daraus macht. Hör zu – wie ist überhaupt dein Name?«
»Gäus.«
»Gäus also. Ich bin Irathindur. Ich schlage Folgendes vor: Wir trennen uns, damit wir uns nicht gegenseitig ins Gehege kommen. Du hast doch selbst gehört, wovon die drei Menschen, die den Rand besucht haben, sprachen. Einer von ihnen war ein König, aber es gibt außer diesem König noch andere mächtige Personen, Barone und Baronessen, die das aufgeteilte Land beherrschen. Du nimmst dir einen Baron, ich einen anderen. So können wir beide Herrscher sein, brauchen uns aber nie in unserem Lebenskraftverbrauch zu behindern. Wir übernehmen einfach zwei Baronate, die nicht aneinander angrenzen. So können wir uns etablieren. Wir können sogar freundschaftlich miteinander Kontakt halten und Bündnisse schließen.«
»Das klingt nicht schlecht. Aber ich möchte kein einfacher Baron sein. Wenn ich schon frei bin, will ich König sein.«
»Weißt du, was das heißt? König sein? Große Verantwortung. Sehr wenig Freiheit.«
»Aber sehr viel Lebenskraft.«
»Mag sein. Dieser König machte aber einen ziemlich kümmerlichen Eindruck auf mich. Er war ja noch ein Kind.«
»Das ist mir egal. Er ist König, und er wird wachsen. Mit mir als Dämon wird er bis ins Unermessliche wachsen.«
»Also gut, mir soll es gleich sein. Ich bin am König nicht interessiert. Ich würde mir lieber einen Baron vornehmen.«
»Oder eine Baroness.« Gäus leckte sich anzüglich die Lefzen.
»Oder eine Baroness, du hast meine Gedanken erraten. Lass uns nur einen Pakt schließen.«
»Was für einen Pakt?«
»Lass uns nie vergessen, dass keiner von uns ohne Hilfe des anderen dem Strudel entkommen wäre. Lass uns versprechen, dass wir einander niemals bekriegen. Wir dürfen Krieg führen gegen andere Länder und andere Baronate, aber wir sind die einzigen beiden freien Dämonen in dieser von Menschen beherrschten Welt. Wir müssen zusammenhalten.«
»Von mir aus. Ich will keinen Krieg. Krieg bedeutet Mühen. Ich will meine Ruhe haben und das Leben als König voll auskosten. Nach all den Jahrtausenden der Gefangenschaft werde ich endlich tun und lassen können, wonach mir der Sinn steht – und alle müssen rennen, um meine Wünsche zu erfüllen. Das wird ein köstlicher Spaß! Ich gebe dir alle meine sechs Hände darauf, dass ich gegen dich bestimmt keinen Krieg anfangen werde!«
»Eine Hand reicht mir schon. Danke.« Der gelbliche und der schwärzliche Dämon drückten einander, als sie in Höhe der kleinen Kapelle angekommen waren, fest die Hände.
Dann schlüpften sie wieder in ihre Geistformen und flogen in unterschiedlichen Richtungen davon.
König Tenmac III. hatte mit seiner Eskorte gerade das gemütliche Äußere Schloss des Sechsten Baronats erreicht und befand sich soeben in einem der Flure, als der Dämon Gäus ziemlich unsanft in ihn eindrang. Gäus hatte es nicht schwer gehabt, den König ausfindig zu machen: Er hatte die Ohrringe lange genug in Händen gehalten, um ihren Träger auch augenlos und unter Hunderten anderer Menschen anhand seiner Lebenskraftspur wiedererkennen zu können. Jetzt polterte er in ihn hinein und schmiss ihn dadurch regelrecht um. Speichelnd fiel der König lang hin und blieb liegen.
Sofort herrschte große Aufregung.
»Der König hat einen Anfall!«
»Macht Platz für den König!«
»Der Aufenthalt beim Dämonenschlund war doch zu viel für ihn!«
»Ein Sturz! Ein Sturz!«
»Macht Platz, macht Platz für den königlichen Leibarzt!«
Der Leibarzt, der so alt war, dass er beim Gehen gestützt werden musste und zum Schauen dicke Augengläser benötigte, versicherte dem besorgten Tanot Ninrogin jedoch, dass der König lediglich Ruhe brauchte, um sich von den Strapazen des tagelangen Rittes zu erholen. Ninrogin wiederum beruhigte Matutin und Benesand, die ja schließlich vor der Baroness für das Wohlergehen des Königs verantwortlich waren.
»Mein Gott, mein Gott, wenn er sich nur beim Hinfallen nichts getan hat!«, jammerte Eiber
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