Die Daemonen 01 - Die Daemonen
zum Stillstand. Am folgenden Morgen durfte Minten Liago sich erstmals nach dem schrecklichen Faust-Rückkampf gegen Oloc in einem Spiegel betrachten.
Er erkannte sich nicht wieder. Seine einstmals stattliche Löwenmähne mit dem Backenbart war ihm ja schon im Gefängnis geschoren worden, und Jinua hatte während seiner Karriere als Faustkämpfer dafür Sorge getragen, dass sein Kopf haarlos und dadurch – wie sie fand – ernsthaft blieb. Die Schwellungen und Verunstaltungen, die Oloc ihm zugefügt hatte, waren inzwischen wenigstens abgeklungen und verheilt. Die Nase jedoch hatte Oloc ihm zweifach gebrochen, sodass sie für immer flach und breit bleiben würde. Am verblüffendsten allerdings waren nun die Zähne. Minten hatte wieder ein lückenloses Gebiss, aber die Zähne waren länger als vorher und machten somit seinen Mund schmaler und sein Gesicht länglicher. Wer ihm da im Spiegel entgegenschaute, war ein fremdmündig unrasierter Plattnasen-Glatzkopf. Um Jahre gealtert, so schien es, innerhalb eigentlich nur weniger Monate.
Minten starrte sich eine Weile lang an, dann versuchte er ein Lächeln. Das Lächeln war das eines Schneebären. Es gefiel ihm.
Das Sprechen wiederum war eine andere Sache. Dank des nun lückenlosen Mundes konnte Minten zwar endlich wieder reden, ohne dabei zu spucken, aber einige Worte kollerten nun schwerfällig im Mund herum, als blieben sie zwischen den Zähnen kleben. Das war aber nicht weiter schlimm. Wahrscheinlich nur eine Frage der Gewöhnung.
Minten war der jungen Stammesfrau dankbar, also betrog er Jinua zweimal mit ihr. Als er Jinua hinterher sein neues Gesicht zeigte, murmelte er nur: »Ich will meinen Backenbart wiederhaben.«
»Mach doch, was du willst«,murmelte Jinua zurück.
Seltsamerweise hatte nun auch der Stamm der Wolkenstreichler seine Entscheidung gefällt . Wie sich herausstellte, war Mintens Zahnbehandlung eine Prüfung gewesen. Jemand, der den Wolkenstreichlern dermaßen viel Vertrauen entgegenzubringen in der Lage war, dass er sich von ihnen allen Ernstes Bergschneebärenzähne in den Mund nähen ließ – etwas, was in Wirklichkeit noch kein Wolkenstreichler je gewagt hatte –,musste seinerseits ihres Vertrauens würdig sein. Außerdem gefiel dem Stamm, dass Minten und Jinua ein Mann und eine Frau waren, die gemeinsam entschieden.
Minten, der eigentlich wütend auf die junge Stammesfrau hätte sein müssen, weil sie ihn über ihren Bruder, dessen Beißwerkzeuge ganz gewöhnlich waren, belogen hatte, schlief stattdessen noch mal mit ihr und fand sich dann gerade rechtzeitig ein, als die einhundert Krieger auf ihren Großgemsen bereit waren zum Ausrücken. Heserpade und Hiserio würden mitreiten und den Feldzug anführen, während Jinua und Minten eher als orisonkundige Führer denn als Befehlshaber agieren sollten. Da die Gebirgsmenschen alle etwas kleiner gewachsen waren als die Bewohner der Ebenen Länder, war selbst die größte Reitgemse zu klein für Jinua und Minten. Also erhielt Jinua Mintens Reitpferd, während Minten sich mit dem Packmaultier begnügen musste.
So ritt der Tross durch die Berge in die Täler.
Als zum ersten Mal einhundert Großgemsenreiter in breiter, ungeordneter Front gegen eines der nördlichsten Dörfer des Zweiten Baronats anrannten, war das Entsetzen der Dorfbewohner geradezu überwältigend.
»Coldrin!«, brüllten sie. »Coldrin kommt!«
Im Nu hatten Heserpade, Hiserio, Jinua, Minten und die Reiter das Dorf unter Kontrolle. Drei Bewohner waren niedergeritten worden, und eine junge Frau hatte sich in einen Brunnenschacht gestürzt, um Vergewaltigungen zu entgehen, ansonsten gab es keine Verluste. Jinua griff sich den wie geblendet umherirrenden Dorfschulzen. »Geh zum Baron und sage ihm, dass Coldrins Vorhut hier ist«, herrschte sie ihn an. Der Mann weinte bittere Tränen und brach tatsächlich barfüßig in südlicher Richtung auf.
»Ganz erstaunlich«, stellte Jinua fest, »wie viel Macht Furcht verleiht.«
Die Wolkenstreichler wollten feiern und ihre Spiele mit den bunten Stäben spielen. Jinua ließ ihnen den Rest des Tages und die Nacht, dann trieb sie sie weiter voran.
Minten, der nun ein anständiges Pferd erbeutet hatte, ritt beim Angriff auf das nächste Dorf in vorderster Reihe mit. Das Erobern war wie ein Rausch. Die Menschen stoben auseinander, wie wenn ein Schakal in eine Rinderherde eindringt. Diesmal gab es vereinzelte Gegenwehr, aber immer noch wurde keiner der Gemsenreiter ernsthaft verletzt.
Beim
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