Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
genoss diese Tage. Sie spürte das Gebrauchtwerden, das Unverzichtbarsein in jeder einzelnen Faser. Beinahe wünschte sie, die Wolkenstreichler würden nicht auftauchen, um sie alle in ihrer hochmütig-heiteren Art erneut durch die Berge zu geleiten. Aber am achten Tage tauchten die Wolkenstreichler auf, und das war gut so, denn allen Bemühungen der Töchter Benesands zum Trotz hatte sich das vereinigte Heer inzwischen hoffnungslos im Gebirge verirrt.
Diesmal war nicht der alte Hiserio der Anführer der zwölf Gämsenreiter. Diesmal war es ein düsterer Ritter, der niemals sprach und stattdessen ein mageres Bürschlein von höchstens achtzehn Jahren das Wort für sich führen ließ.
»Mein Herr Stummsturm bietet der hohen Majestät und ihren Verbündeten Geleit an«, sagte das Bürschlein mit klarer Stimme. »Obwohl mein Herr selbstverständlich nicht der Meinung ist, dass die hohe Majestät ihren Weg nicht auch ohne seine Unterstützung fände.«
»Selbstverständlich nicht«, entgegnete Lae matt. Sie reiste abwechselnd auf dem Wagen, mit dessen Hilfe sie Coldrin erreicht hatte, und auf dem Plattformkäfer, den Jmuan ihr und ihren Leibwächtern zur Verfügung gestellt hatte. Ihr hygienischer Gesamtzustand war dermaßen erbärmlich, dass sie sich ernsthaft fragte, weshalb irgendjemand sie noch als Königin erkannte geschweige denn akzeptierte.
»Wiewohl ist es uns durch schieres Glück vergönnt gewesen«, fuhr der Jüngling fort, »auf der Suche nach Euch eine Passage ausfindig zu machen, ein System von Tunneln, welches Schutz bietet vor den Unbillen des Wetters und welches von uns bereits dahingehenderforscht wurde, wo die Wege sicher sind und wo nicht.«
»Und weshalb hat dein Herr uns gesucht?«
»Mein Herr hat gegen die Dämonen gekämpft am Hauptschloss des Zweiten Baronats. Wiewohl es meinem Herrn gelang, dort einen wichtigen Sieg zu erringen, haben die Dämonen dennoch die mit diesem Sieg einhergehenden Vereinbarungen mit Füßen getreten und meinem Herrn keine andere Wahl mehr gelassen, als sich strategisch zurückzuziehen. Mein Herr wurde im Kampf verwundet. Bei den Wolkenstreichlern erhoffte er sich Heilung. Als die Wolkenstreichler ihm jedoch berichteten, dass die hohe Majestät höchstselbst das Gebirge auf der Suche nach einem Bündnis mit Coldrin durchquerte, verspürte mein Herr den Wunsch, die Heilung zugunsten einer Audienz zu vertagen.«
»Einer … Audienz?«
Das Gesicht des Jünglings blieb ungerührt. »Mein Herr wünscht Vergebung zu erfahren dafür, dass seine Kräfte nicht ausreichten, das Hauptschloss des Zweiten Baronats zu halten. Er wünscht mit einem Auftrag in den Dienst der hohen Majestät einzutreten, der es ihm ermöglichen wird, trotzdem ruhmvoll zu sterben.«
Lae spürte Rührung in sich aufwallen, ein Gefühl, das ihr aufgrund der Entbehrungen der letzten Wochen schon beinahe abhandengekommen schien. Der Ritter Stummsturm war selbst auf einer Reitgämse eine faszinierende Erscheinung, die Rüstung unter den beschneiten Schultern massiv und schwarz, jedoch auch rostig und grünspanig, als sei sie bereits seit Jahrzehnten nicht nur ein Kampfgewand, sondern auch eine Behausung. Der Helm war geformt wie ein Amboss, vorne spitz unddas Gesicht vollständig umschließend. Der linke Arm des Ritters war kein Arm, sondern eine Waffe, eine Klinge mit etlichen beweglichen Widerhakensegmenten.
Die Königin räusperte sich. »Niemand soll sich Vorwürfe machen dafür, dass es ihm nicht möglich war, ein Schloss im Alleingang zu verteidigen. Seht mich an. Auch ich habe es vorgezogen, meine Kräfte mit denen Coldrins zu vereinigen, anstatt mich dem furchtbaren Feind alleine zu stellen. Sag mir also nur eines, Knappe: Ist es für eine Heilung deines Herren bereits zu spät?«
Der Jüngling brauchte den Ritter nicht zu konsultieren, nicht einmal einen Blick mit ihm zu wechseln, um eine Antwort zu finden. Lae fragte sich unwillkürlich, wie das möglich sein konnte, und ob nicht in Wirklichkeit der Jüngling der Herr des Ritters war. »Die Wunden meines Herrn, die ausschließlich den Körper betreffen, sind nicht von Tragweite. Bedeutend dagegen ist die Wunde, welche die Dämonen meinem Herrn aufgrund ihrer Arglist und aufgrund der Eroberung seines Heimatlandes schlugen.«
Lae nickte. Der Wind frischte wieder auf, und sie musste einen Schal bis fast ganz über ihr Gesicht schlagen. »Steht es denn … schon so schlimm um unser Land?«
»Mein Herr geht davon aus, dass alle
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