Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
waren viele Frauen unter den Soldaten …«
»Eine ganz bestimmte Frau.«
»Die Königin?«
»Nein. Eine Frau mit einer Hand.«
»Den Ritter?«
»Ich konnte sie gut leiden. Sie hat mir mehrmals … das Leben gerettet.«
»Was tust du da?«
Orison spürte, wie sich in dem Menschen eine Energie aufbaute, eine Energie, die den Lärm der Schlacht in etwas Neues, Spitzwinkliges zu verwandeln imstande war.
Wieder durchlief ihn ein Schaudern. Diesmal war es aber weit unangenehmer als vorhin: Es war die Todesfurcht,die alle Kreaturen kannten; die Orison, der Dämonenkönig, aber bereits seit Jahrtausenden vergessen hatte.
Dieses Gefühl war schwindelerregend auch in seiner Tragweite, denn Orison wusste gar nicht genau, wovor er sich eigentlich fürchtete. Es war ihm plötzlich, als stünde ganz Orison auf dem Spiel, nicht nur das Wesen Orison, sondern auch das Land.
Abwehrend hob er eine Hand, um den sich immer noch weiter in etwas Unbekanntes hineinsteigernden Menschen fortzuschleudern, fort aus seiner unmittelbaren Nähe, ohne ihn zu töten, einfach nur, um wieder Ruhe in eine Situation zu bringen, die im Begriff war, außer Kontrolle zu geraten.
Aber Minten Liago tat etwas ganz anderes, als Orison erwartet hatte.
Er griff nicht an.
Er blockte auch nicht ab oder wich Orisons Bewegung aus.
Er nahm Orisons kleine Attacke und stemmte sie auf.
Orisons beinahe sanftes Verscheuchen wurde größer und schwerer. Wie bei einem Riesentier mit aufgebrochenen Kiefern flossen Blut und Speichel und Geschrei immer weiter, immer mehr. Kälte wurde der Umgegend entzogen und sammelte sich. Schnee begann zu zittern.
Orisons ordnende Hände glitten von seiner eigenen rotierenden Macht ab. Immer mehr Schlachten und Tod und Strudel und Schlund bohrten sich in ihn hinein, wurden durch Minten verstärkt, aufrechterhalten, zurückgeworfen, hochgeschaukelt. Lebenskraft klumpte, bäumte sich auf, paarte sich, vermehrte sich, schäumte über. Heller und heller ein Kern aus gedrechseltem Licht.
Orison schrie. Er konnte sich selbst nicht mehr Einhalt gebieten.
Der Kern schmolz ekstatisch.
Orison explodierte.
Das ganze Land Orison explodierte.
Die beiden Armeen, ineinander verkeilt wie klobige Ringkämpfer: zerschmettert zu Asche.
Minten Liago: zertrümmert zu noch weniger als Asche.
Lehenna Kresterfell, die gerade mit ihren beiden Kindern sprach.
Marna Benesand, die durstig Wasser aus einem Schlauch trank.
Die Koordinatoren, die sich bei den Verwundeten verbargen.
Die Verwundeten. Die Pferde. Die Reitgemsen.
Asche.
Der stäbchendünne Dämonengeneral, der mitsamt seiner Soldaten zu Bewegungen des Kampfes zerfaserte und dann zu feinem, salzigem Hauch.
Schlösser verwehten, verwandelten sich in Schatten.
Flüsse, Eis und Schnee verdampften zu Nebel.
Berge barsten und rissen Wolken mit sich.
Erde brach auf zu kreisenden Schlunden und schleuderte Staub bis hoch in die Gesichter der leuchtenden Himmelsstädte.
Lediglich einige wenige Schlösser und Städte blieben stehen, da sie im Feuerschatten entweder der Brüchigen Berge oder des Witercarzgebirges lagen. Aztreb und Icrivavez und selbst der Eingang des Dämonenschlundes wurden durch die Brüchigen Berge beschirmt. Witercarz, Tjetdrias, Cerru, Kirred, das Hauptschloss und dasÄußere Schloss des Fünften Baronats blieben stehen, weil das Witercarzgebirge ihnen ächzend und sich selbst dabei als Opfer bringend Deckung gewährte. Aber auch in diesen Städten und Schlössern regte sich kein Leben mehr, denn all diese Orte waren von den Dämonen im Verlauf des Krieges eingenommen, verwüstet und dann wieder verlassen worden.
Finsternis stieg auf und umfasste alles, und währte siebzehn Tage.
Danach fiel die Finsternis wie Niederschlag, wurde aufgesogen von Felsen und Lehm und war fort.
Stille herrschte.
Kein einziger Vogel sang.
Der Himmel war matt wie etwas Blindes.
Die Senke von Zegwicu, ein guter Ort, um endgültige Entscheidungen zu treffen, kühlte sich ab.
Wo vorher das neungeteilte Land Orison gewesen war, lag nur noch winterliche Wüste.
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