Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
seine feuchten Augenwinkel damit und schneuzte sich dann beinahe lautlos die Nase.
Das Grün der See riss das Schiff mit sich. Gischt und Küste sprühten vorüber. In weniger als einem halben Tag war Kirr erreicht.
Dort stand man dem Blutbad auf der Straße immer noch fassungslos gegenüber. Die meisten Toten waren inzwischen bestattet worden, um eine Epidemie zu vermeiden, aber bei vielen gestaltete sich das Identifizieren als schwierig. Der König sprach einigen Angehörigen sein Beileid aus. Man berichtete ihm, dass eine Flotte von zwanzig Schiffen den Flüchtenden hinterhergesetzt sei. Noch sei von diesen jedoch keine Nachricht eingetroffen.
Der König ging rastlos auf und ab. Es drängte ihn, an dieser Verfolgung teilzunehmen. Aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Irgendetwas passte nicht, stimmte nicht. Die Frau mit den zwei schwarzen Klingen, die all das angerichtet hatte, die die Stadt Kirr bis hoch zu den Regenrinnen mit dem Blut ihrer Einwohner getüncht hatte – diese Frau würde nicht fliehen. Weshalb denn? Und vor wem? Vor ihm, dem König? Weil er sie schon einmal bezwungen hatte? Aber das hatte sie ja nicht aufgehalten, sondern offensichtlich nur noch stärker gemacht. Nein, sie hatte keinen Grund, ihn zu fürchten. Eher würde sie ihn herausfordern. War sie noch hier? War sie eine von den Toten?
»Mein König?« Einer der städtischen Beschnittenen wagte sich behutsam an seinen König heran.
»Ja?«
»Wir haben … kurz nachdem dies hier geschehen ist, mein König … ist es uns gelungen, einen Gefangenen zu machen. Einen einzigen von den Geflohenen. Genau genommen … ließ er sich gefangen nehmen. Er leistete keinerlei Widerstand.«
»Warum sagt man mir das erst jetzt? Wo ist der Mann?«
»Wir haben ihn in eine Zelle des Ungebührlichen Betragens gebracht. Der Ketzerkerker … der normalerweise angemessener gewesen wäre … erschien uns nicht mehr … sicher genug.«
»Bring mich zu ihm.«
Der Beschnittene tat wie ihm geheißen.
Gilgel erhob sich, als der König eintrat, obwohl man ihn in so viele Ketten geschlagen hatte, dass sie mit seinem Körpergewicht konkurrierten. »Endlich«, sagte er nur mit einem merkwürdigen Lächeln auf den schmalen Lippen. Unter den Ketten war er nackt. Man hatte ihm seine symbolbeschriftete Kleidung genommen, aber der Unterschied war kaum zu erkennen. Seine Haut war ebenso beschriftet und bunt wie vorher seine Kleidung.
Der König musterte den Gefangenen aufmerksam. Es war nicht auszuschließen, dass dies die Dämonin war in neuerlich verfremdeter Gestalt. »Warum haben sie dich zurückgelassen?«
»Niemand hat mich zurückgelassen. Ich habe beschlossen zu bleiben.«
»Weshalb?«
»Um mich Euch anzuschließen.«
»Weshalb?«
»Um den Dämon endlich zur Strecke zu bringen.«
»Du kennst ihn?«
»Ja. Sein Name ist Adain. Er ist weder Frau noch Mann, man sollte sich nicht davon blenden lassen. Er ist ein Dämon aus dem Strudelschlund, womöglich der Letzte seiner Art.«
»Und was bezweckt er?«
»Vollständigkeit.«
» Vollständigkeit? «
»Die große Weiß-Sagung war ein Versuch, das Menschengeschlecht zu tilgen. Aber es hat nicht ganz funktioniert. Berge waren im Weg, und deshalb konnten einige Menschen überleben. Der Dämon will das nun richtigstellen.«
»Aber du hast in seiner Armee gekämpft.«
»Ich wollte nur in seiner Nähe bleiben, um auf ihn achtgeben zu können. Aber er hat auch mich überlistet. Da er nicht unter den Gefangenen war, hielt ich ihn für tot. Der Dämon ist listig. Und stark. Alleine kann ich ihn nicht überwinden. Aber mit einem König an meiner Seite wird es gelingen.«
»Ich gehe ein Risiko ein, wenn ich dich mitnehme. Du könntest mich verraten.«
»Nein. Nehmt mir die Ketten ab, und Ihr könnt entziffern, was ich bin.«
Der König wies zwei Bedienstete an, dem Gefangenen die Ketten abzunehmen. Die Symbole auf Gilgels Haut waren nicht leicht zu lesen, aber König Paner Eleod kannte diese Zeichen. Es war die Schrift der Wüste selbst. Die Linien und Wellen, die der Wind in Dünen zeichnet. Der König hatte sie studiert, in einsamen Nächten, den Klagen des weißlichen Windes lauschend.
»Du bist ein Dämonentöter .«
»Richtig. Seit dem ersten Dämonenkrieg, dem, in dem es nur zwei von ihnen gab und der dennoch die gesamte bekannte Welt zum Rotieren brachte, gibt es die Legende von dem Menschen, der in der Lage war, auf einer der Inseln die Dämonen zu erschlagen. Sein Name war, so erzählten sich seine
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