Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
hinein. Wie ein gleichschenkliges Dreieck hatten sie sich formiert: Adain vorneweg, hinter ihm Tibe und Jitenji, wiederum dahinter Koaron, Glai, Bakenala und Levo. Die bis vor Kurzem noch Gefangenen sahen erbärmlich aus in ihrer zerschlissenen, genau einmal im Meer gewaschenen Kluft, und Adain, der Einzige von ihnen, dessen Kleidung neu war, wirkte farblos wie ein Bescheidener . So bewegten sie sich über den grauen Steinsand von Witercarz, zwischen den Schatten der schwarzen, unbewohnten Häuser. An vielen der Häuser, in den Fenstern, über den Türen, selbst an den Schornsteinen auf den Dächern waren Kristalle angebracht, weiße, rote, bläuliche und auch welche, die an das Meer erinnerten. Früher hatte Witercarz den Beinamen »Kristallstadt« getragen.
»Wenn die Stadt die Große Weiß-Sagung überstanden hat, was ist dann aus ihren Bewohnern geworden?«, fragte Tibe in die Runde.
Niemand wusste eine Antwort, aber Bakenala dachte laut nach: »Eigentlich gibt es keinen Grund, weshalb sie nicht überlebt haben sollten. Es sei denn, der Wind wurde giftig oder so was. Wir sind hier doch deutlich näher dran an der Ebene von Zegwicu als in Kirr.«
»Du meinst, die Weiß-Sagung hat sich hier heftiger ausgewirkt als an der Küste?«
»Ja. Obwohl die Berge möglicherweise die Gebäude schützten. Aber Gebäude brauchen nicht zu atmen oder zu essen. Vielleicht war sämtliche Nahrung verdorben und die Leute verhungerten.«
»Vielleicht«, mutmaßte Glai, »finden wir hier einen Friedhof, an dem wir ablesen können, ob die Menschen alle gleichzeitig oder in Schüben starben und verscharrt wurden.«
»Wenn die alle gleichzeitig starben, hat niemand sie verscharren können«, grummelte Levo.
»Wenn ich mich an den damaligen Feldzug dieses Aufschneiders Culcah richtig erinnere«, sagte Adain gut gelaunt nach hinten, »war Witercarz nach heftigen Kämpfen eingenommen worden. Das bedeutet, dass es zuletzt hier nur noch eine Besatzungstruppe aus Dämonen gab. Die ursprünglichen Bewohner waren schon vorher getötet worden, in Gefangenschaft geraten oder geflohen.«
»Jedenfalls sieht es nicht so aus, als hätten die Bescheidenen hier alles unter Kontrolle und gut bestückte Vorratslager angelegt«, sagte Jitenji und rief allen das Bild des im Berg zerschellten Schiffes vor Augen.
»Fünfhundert Soldaten«, sagte Adain. »Das war Culcahs bevorzugte Größenordnung einer Truppe, die er zurückließ, um einen eroberten Ort zu befestigen. Ich konnte das vom Schlund aus einigermaßen mitverfolgen. Fünfhundert Dämonen. Sie könnten hier noch irgendwo stecken.«
Seine Begleiter blieben stehen, alle gleichzeitig.
»Sagtet Ihr gerade: fünfhundert Dämonen, Kapitän?«, fragte Tibe entgeistert.
»Ja?«
»Sind wir deswegen hier?«
Adain zuckte lächelnd die Schultern. »Ich bin mir nicht sicher. Was ich von hier wahrnehmen konnte, hörte sich irgendwie … anders an. Vielleicht haben die fünfhundert sich unter dem Einfluss der großen Katastrophe verwandelt. Vielleicht sind sie zu fünf konkurrenzlos Großen zusammengebacken.« Als er das Entsetzen in den Gesichtern seiner Mannschaft sah, schwächte er ab. »Das war nur ein Scherz. Wo sollten diese fünf Riesen sich denn verborgen halten, ohne dass wir sie sehen können?«
»Ist Witercarz nicht eine Minenstadt?«, fragte Levo. »Haben die Witercarzer nicht diese Kristalle geschürft, die man hier überall sehen kann? Vielleicht befindet sich alles, was wir suchen … unterhalb.«
»Das ist mal eine bemerkenswerte Idee«, sagte Adain vergnügt. »Also lasst uns nach einem Eingang in die Minen Ausschau halten.«
Die anderen sahen einander an. Ihre Haare wirkten ausnahmslos gesträubt. Dann folgten sie ihrem unmenschlichen Kapitän.
Witercarz war kein Labyrinth, aber abseits der Hauptstraße rückten die Häuser wie bucklige Verschwörer dichter zusammen und pressten die Gassen zwischen sich zu schwülen Rinnsalen. Einige dieser Gassen waren dermaßen dunkel, dass nur die schmückenden Kristalle noch das Licht des Tages einfingen und abstrahlten, sodass sie wie trübe Laternen glommen. Die Festtagsstimmung eines ausgestorbenen Ortes.
Das Essigaroma war überall gleichermaßen wahrnehmbar. Es ging nicht von einem ganz bestimmten Ort aus, wurde nicht stärker oder schwächer mit dem Wehen des Windes. Dieser Geruch war wie der saure Schweiß von Witercarz. Er gehörte einfach dazu.
Sie fanden keinen Eingang zu irgendwelchen Minen. Nirgends.
Um sich einen besseren
Weitere Kostenlose Bücher