Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
Gänge. Mehrmals kletterte Koaron aufwärts und kehrte mit Nachschubfackeln zurück. Sie entzündeten die erste der neuen Fackeln jeweils an der letzten der alten. So pflanzten sie ihr ursprüngliches Feuer mit sich fort.
Sie tappten durch schmale Katakomben, die an beiden Schultern schürften. Durch eine Art Halle oder Versammlungsraum mit verrotteten Stühlen und Kristallen in regelmäßigen Mustern. Durch einen Schacht, der zusehends schräger wurde, bis sie auf der vormals rechten Wand weitergehen mussten und das Gefühl hatten, sich von jetzt ab immer auf den rechten Wänden zu bewegen, als wären sie Insekten. Über eine Kreuzung, von der aus strahlförmig zwanzig Gänge abzweigten. Ein einziges Mal fanden sie auch eine Stelle, an der die Kristalle tatsächlich abgebaut und nicht nur als Ornament verwendet worden waren. Schillernd und ineinander verkantet ruhten sie in einer Ader des Gesteins und fühlten sich kalt an und leblos und bar jeder benennbaren Farbe. Schließlich fanden sie ein Vorratslager, das gut und gerne 210 Jahre alt war. Sämtliche Speckstreifen waren mumifiziert, das Wasser sogar in den Fässern verfault.
»Wenn hier noch irgendjemand hausen sollte, hätte derjenige wohl kaum diesen Proviant verkommen lassen«, fasste Tibe zusammen.
»Ja«, gab Glai ihr recht. »Und es sieht auch nicht so aus, als hätten die Bescheidenen hier Lager angelegt. Gut, dass wir unterwegs das Schiff gefunden haben.«
»Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die Bescheidenen hier überhaupt nichts hinterlassen haben«, überlegte Adain. »In seinem Logbuch schrieb der Kapitän, dass er nun schon zum vierten Mal in Witercarz sei. Wenn es also eine Regelmäßigkeit gibt, werden sie auch einen Stützpunkt eingerichtet haben.«
»Dann aber oberirdisch. Und am Eingang der Stadt«, vermutete Tibe.
»Das glaube ich inzwischen auch«, sagte Adain nickend. »Also gehen wir wieder hoch.«
Als die anderen schon die nächstgelegenen nach oben führenden Metallsprossen hinaufgestiegen waren, verharrte Adain noch einen Augenblick. Seine Fackel fauchte. Der Gang schien sich zusammenzuziehen und wieder auszudehnen. Lichtwahrnehmungen. Aber irgendetwas war hier unten. Etwas, das sich nicht ansprechen ließ. Oder sich nicht ansprechen lassen wollte. Er hatte schon vom Schlund aus das Scharren und Knistern aus Witercarz vernommen. Und irgendetwas musste das Schiff der Bescheidenen in der Stadt sichtbar angegriffen haben, sonst hätte der Maat den Kapitän nicht an Deck gerufen.
Draußen war es dunkel. Alle waren darüber erstaunt. In den Minen konnte man sich schlecht zeitlich orientieren, aber sie waren sich einig, dass sie jetzt eher einen späten Nachmittag als eine Nacht oder einen sehr späten Abend erwartet hätten. Sie mussten länger in den Minen gewesen sein, als ihnen bewusst geworden war. Im Dunkeln jedenfalls schienen die Kristalle an den Häusern nicht nur matt zu glühen, sondern auch zu pulsieren.
Verputzkalk rieselte. Irgendetwas regte sich.
»In dieser Finsternis ist es gar nicht leicht festzustellen, wo wir herausgekommen sind. Kann einer von euch den Kirchturm ausmachen?« Selbst der Kapitän wirkte jetzt verunsichert, und das wiederum beunruhigte seine Mannschaft bis ins Mark.
»Ich erinnere mich an dieses Kristallmuster dort«, sagte Jitenji. »Wir sind hier vorhin vorübergegangen, und in dieser Richtung muss es zum Stadttor gehen.«
Erleichtert vertrauten alle sich der Führung der Steuerfrau an, aber schon nach wenigen hundert Schritten standen sie in einer Sackgasse aus zwei Hauswänden und einer Mauer.
»Das kann nicht sein«, stellte Jitenji fest. Ihre Stimme klang belegt. »Ich könnte schwören, dass wir steuerbords an diesem Kristallmuster vorübergegangen sind, also von hier gekommen sein müssen.«
»Vielleicht gibt es mehrere solcher Muster«, schlug Koaron zur Erklärung vor.
»Mit denselben weggebrochenen Zacken oben? Deshalb war es mir ja im Gedächtnis geblieben, weil es beschädigt war und ich mich gefragt habe, wer in der Kristallstadt Kristalle beschädigt.«
»Tatsache ist, dass wir nicht von hier gekommen sein können, wir sind ja nicht über eine Mauer geklettert«, stellte Bakenala gereizt fest.
Wieder rieselte irgendwo etwas. Ein ganz leichtes Zittern durchlief den Boden. Glai spürte es als Erste und schaute sich verwirrt um. »Was geht hier vor?«, fragte sie niemanden Bestimmtes.
»Löscht eure Fackeln«, sagte Adain.
»Was?«
»Löscht eure Fackeln.«
Einer nach
Weitere Kostenlose Bücher