Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
viel zu beschäftigt war, sein neues Gesicht, seine neuen Brüste, seine neuen Hüften, sein neues labyrinthisches Becken und seine neuen, unglaublich langen Beine auszufüllen.
Adain streckte sich. Er war nun größer denn je. Er hatte Lust, sich stundenlang mit seinem neuen Körper zu befassen, aber jetzt war nicht der geeignete Zeitpunkt. Seinem alten Körper, der reglos wie eine Hülse dastand, erstarrt in der Geste des Übersprungs, nahm er die beiden schwarzen Klingenwaffen ab. Dann sprach er zum ersten Mal mit den Stimmbändern einer durch und durch schönen Frau: »Der Kapitän ist von uns gegangen. Ich bin jetzt die neue Kapitänin.«
»Von uns gegangen?«, frage Voy ungläubig. »Aber wo ist er denn hin? Da steht er doch noch!«
»Ja. Da steht er und ist nicht mehr am Leben.« Das Wesen, das man vielleicht Bakenadain hätte nennen können, tippte den schiefen Dämonenleib an, und dieser stürzte steif in den Sand. »Dämonen«, sagte sie verächtlich. »Halten nicht besonders lang.«
»Aber … aber … aber«, stammelte Voy, »sollte denn nicht ich vielleicht … ich meine … der neue … Kapitän werden …?«
Bakenadain lachte auf. »Weshalb denn? Du bist doch nur ein Schiffsmädchen! Und außerdem gibt es dein Schiff nicht mehr. Nein, wir werden die Karten neu mischen müssen. Koaron, hör jetzt endlich auf zu wimmern.« Sie ging zu dem Jungen hin, zerrte ihn grob auf die Beine und ohrfeigte ihn zweimal, einmal von links, einmal von rechts. Bei Kapitän Renech hatte das auch Wunder gewirkt. Die meisten Menschen waren viel empfänglicher für diese Art des Prügelns, als wenn man sie boxte oder trat. In der Handfläche lag etwas Demütigendes, das gleichzeitig den nachfolgenden Trost eines Streichelns verhieß. »Du lädst dir Uthlen auf die Schultern. Folgt mir.«
»Wohin denn?«, fragte Koaron ton- und blicklos.
»Zum zerschmetterten Bescheidenen schiff. Wir werden eins seiner Beiboote wieder flottmachen.«
Uthlen weinte und wehklagte, während Koaron ihn schleppte. Koaron wirkte dabei abgestorben stumpf. Voy eierte umher, ein Schiffsmädchen jenseits jeglichen Schiffes. Sie sah aus, als könnte ein Windhauch sie zerstäuben. Einzig Adain in ihrem neuen Körper schritt voller Tatkraft aus. Sie genoss jeden einzelnen Schritt ihrer gleich langen, wohlgeformten Beine, auf denen sie ihre kurvenreiche Büste wie auf Stelzen spazieren führte.
Das Bescheidenen schiff war bereits von sämtlichen Proviantvorräten leergeplündert, ein Vorgehen, das sich im Nachhinein als komplett sinnlos herausstellte. Es wäre besser gewesen, wenn sie den Proviant erst jetzt aus dem Wrack geholt hätten, denn so war er unter einem Kirchturm begraben worden.
Keines der Beiboote war noch intakt, aber jetzt konnte Koaron sich endlich einmal richtig nützlich machen. Als erfahrener Einhandsegler aus den Sanddocks verstand er genug von den kleineren Schiffen, um aus den beschädigten zweien ein voll funktionstüchtiges zusammenzuschrauben. Das dauerte natürlich den ganzen folgenden Tag und den größten Teil der nächsten Nacht. Witercarz verhielt sich währenddessen still, nur der Wind führte noch immer Essig im Atem.
Voy, Uthlen und Koaron hungerten bereits wieder. Ihre Mägen machten seltsame Geräusche, ihre Stimmen klangen flau. Adain fürchtete, dass er seinen neuen Körper ebenfalls mit Fleisch oder anderem würde füttern müssen, weil der ihm sonst den Dienst versagte. Die Entscheidung fiel ihm nicht schwer. Im rötlich milden Widerschein der zweiten Morgendämmerung ging er zum unruhig im Schlaf wimmernden Uthlen und schlachtete ihn. Der Alte war zwar mit Abstand der Unappetitlichste von ihnen, aber auch der Einzige, für den Adain keine weitere Verwendung mehr wusste.
Für einen Dämon war das Töten eines Menschen nicht problematischer als für einen Menschen das Verzehren eines Tieres. Voy jedoch hatte große Schwierigkeiten mit dieser Entscheidung. Sie weinte, beklagte sich und übergab sich sogar, obwohl sie noch gar nichts gekostet hatte. Koaron sah, während Adain das Fleisch des früheren Sandalenflechters sorgfältig abbriet, das Ganze deutlich pragmatischer. Er zitierte aus der Litanei der Bescheidenheit , die ihm und Voy und auch Bakenala während der langen Kerkerhaft wieder und wieder ins Gehirn geträufelt worden war: »Ich verzichte darauf, das Leben eines Menschen zu nehmen, es sei denn, dieser Mensch greift mich an und übergibt somit sein Leben in meine Hände. Ich verzichte darauf, das
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