Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten

Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten

Titel: Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
zweiten Dämonenkrieges im Schlund aufgeschnappt hatte. »Mehr als hunderttausend Menschen haben in der Blütezeit hier gelebt. Aber als die Große Weiß-Sagung sich ereignete, war Orison-Stadt bereits belagert, eingenommen, entvölkert, neu besetzt und abermals verlassen worden. Es dürften sich verhältnismäßig wenig hässliche Leichen in dieser wunderschönen Ruine finden.«
    Das dumpfe Dröhnen wie auch das hohe Singen waren eine Folge des Windes, der sich in den Abertausenden von Mundöffnungen brach, wobei das Dröhnen wahrscheinlich die Summe alles hohen Singens war. Der gesamte Komplex vibrierte aufgrund seiner bizarren Vielstimmigkeit. Er war jedoch nicht wie Witercarz am Leben. Vielleicht hatte eine Stadt dieser Größe vorher ein Leben besessen, aber der tilgende Sturm der Weiß-Sagung hatte alles ermordet. Die Ruine schrie als Leichnam.
    Und dennoch beherbergte sie Leben. Wie ein Kadaver, der von Würmern wimmelt. Wie Adain selbst vor gar nicht langer Zeit außerhalb der Grenzen von Kirr. Eine geisterhafte Abart des Lebens zumindest: Adain konnte huschende Bewegungen zwischen verkrümmten Türmen und flüssig abgerundeten Zinnen erkennen.
    Diesmal ging sie alleine.
    Sie wollte die Stadt erkunden und fand keinen Sinn darin, auch noch ihren Steuermann und ihr Schiffsmädchen zu verlieren. Ohne Unterstützung hätte sie den Segler nicht mehr handhaben können.
    »Ihr wartet hier!«, schärfte sie Koaron ein, als ob das nötig gewesen wäre. »Vielleicht kann ich etwas Essbares auftreiben. Etwas, was nicht vorher versucht hat, für uns zu kochen.«
    Dann betrat sie die Ruine durch eines der zu Stalagtiten zerflossenen Mauertore. Die Tausend Schreie wurden hier drinnen noch deutlicher, verloren sich nicht so in der Wüstenweite, sondern artikulierten den immerwährenden Schmerz des städtischen Leichnams wie eine Sprache, die beinahe verständlich war.
    Die Straße hinter dem Tor wurde breiter, dann wieder schmaler wie eine Innerei. Alle Formen wirkten organisch und kantenlos, sämtliche rechten Winkel waren zur Stumpfheit umgebogen. Adain sah Brücken, die wie Wäscheleinen durchhingen, und über eine dieser Brücken stieg sie quer hinüber. Auch dieser Stadt war ein säuerlicher Geruch zu eigen, aber diesmal erinnerte er nicht an Essig, sondern eher an vergorene Milch, was gut mit der hellen, knochenhaften Farbe zu harmonieren schien. Huschende Bewegungen wechselten oberhalb von Krummturm zu Krummturm. Die Bleichheit der Wüstendämonen. Eine womöglich nur in dieser Ruine vorkommende Art mit überproportional langen Armen. Adain nannte sie lächelnd die Bürger . Sie beschloss, einigen von ihnen zu folgen.
    Bakenalas Körper war ihr noch nicht so vertraut – besonders über seine Beschränkungen wusste sie noch zu wenig. Also rannte sie zu schnell, wollte zu hoch springen, hielt sich nicht entschlossen genug fest, zog sich übertrieben kräftig in die Höhe. Sie machte so ziemlich alles falsch, was man in einem Körper falsch machen kann, stolperte über Verwerfungen und schlitterte in unebene Trichter, aber sie kam dennoch mit Beharrlichkeit vorwärts. Sie verlor die Bürger , denen sie hatte folgen wollen, aus den Augen, entdeckte aber andere, folgte diesen, verlor sie wieder und fand weitere. Es war wie ein Spiel mit verborgenen Gesetzen. Wenn Adain alle Bürger eingebüßt hatte, zeigten sich neue, damit die »Verfolgung« nicht abriss. Schließlich wurde ihr klar, dass man sie führte, dass man schon längst bewussten Kontakt zu ihr aufgenommen hatte, und sie war neugierig, welches Ziel damit erreicht werden sollte. Und ob es auch in dieser Stadt vielleicht tatsächlich so etwas wie einen ordnenden Gott gab.
    Sie folgte den Bürgern nach droben, denn dort turnten diese herum.
    In luftiger Höhe, nachdem sie einen welligen Grat entlanggeschabt war, der dicht an einer wulstigen, blasigen Kuppel vorbeiführte, erreichte Adain schließlich den Geburtssaal. Womöglich war dies bereits der ehemalige Königspalast, womöglich aber auch eines der angrenzenden, mit ihm verschmolzenen Gebäude. Jedenfalls erfuhr Adain, wo die Wüstendämonen wuchsen.
    Es sah aus wie ein weitläufiges Beet, verborgen unter einem unebenen, vielgestaltigen Hallendach, dessen Struktur kein Mensch jemals hätte ersinnen können. Bürger huschten hier in einem honigfarbenen Fastdunkel umher, es mochten mehr als hundert von ihnen sein. Alle waren sie beschäftigt, jeder Einzelne von ihnen schien genau zu wissen, was seine Aufgabe

Weitere Kostenlose Bücher