Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
war begierig darauf, seinen neuen, diesmal nicht hausfraulich-mütterlich-müden, sondern sinnlich-saftigen Körper in all seinen Facetten auszuprobieren, und so führte sie eines Nachts Koaron zwanzig Schritte weit aus dem Lager und gab sich ihm dort ungestüm hin.
Koaron fühlte sich seltsam dabei. Er hatte lange von Adain geträumt, von Adain in ihrer ursprünglichen, geschlechtlich uneindeutigen Gestalt, mit der er durch die Psells getanzt war. Jetzt trieb er es mit Bakenala, in der Adain spukte. Er fühlte sich dabei nicht anders als ein Schiffsmädchen, dessen Dienste in Anspruch genommen wurden. Da die Kapitänin eine Frau war, musste er eben von nun an Schiffsjunge sein.
Dieses Spiel wiederholte sich in sämtlichen Nächten. Gerne hätte Adain auch Voy mit einbezogen, aber die trotzig Hungerstreikende war einfach zu geschwächt, um die Unersättlichkeit eines Dämons verkraften zu können. Außerdem wurde Voy zusehends unansehnlicher – sie hatte schon Falten um den Mund, so sehr verlor sie an Gewicht.
Die Stunden der Leidenschaft hatten auch für Adain ein eigenartiges Nachspiel. Hinterher fühlte sie sich stets leer und einsam. Als wäre die Tatsache, dass sie der allerletzte Dämon auf der Welt war, dadurch, dass ihr Wirtskörper Wollust und Durchglühung erfuhr, nur umso spürbarer geworden.
Während des Geschlechtsaktes gab es nichts, was von Bedeutung war. Während des Höhepunktes war alles von Bedeutung und alles an seinem perfekten Platz. Danach jedoch war alles in Unordnung und nichts mehr ergab Sinn.
Adain begann, das Fleisch zu verachten. Weil es so wankelmütig war.
Sie dachte darüber nach, sich von etwas anderem als Fleisch zu ernähren, aber in der Welt der winterlichen Wüste gab es nichts anderes. Früher, als das Land noch Orison hieß, hatte es überall fruchtbare Weiden gegeben. Sie hätte sich von Gras ernähren können wie ein Vieh, von der reinen prallen Lebenskraft des wuchernden Grüns. Aber grün waren nur noch die See und die Kleidungsstücke, die Flaggen und die Augen mancher Menschen. Orison war vergangen und mit ihm alle Pflanzen.
Adain verspürte Sehnsucht und weinte sogar einmal. Das war nicht Bakenalas Körper, der sie dazu brachte. Das kam aus ihrem Inneren.
Schon als sie beinahe eine Tagesreise von der Ruine der Tausend Schreie entfernt waren, konnte Kapitänin Adain das gewaltige Gebilde hören , das im Wüstensand kauerte. Ein unter sämtlichen Wolkenmassen umherschwirrender Klang ging von dort aus, ein dumpfes Dröhnen und kaum noch wahrnehmbar hohes Singen, als vereinigten steinerne Kolosse und gläserne Vögel sich zu einem aberwitzigen Choral.
Dann erst kam die Ruine in Sicht. Wie ein hitzeflirrender, unwirklicher Berg, ein Fremdkörper inmitten eines ebenen Nichts.
Je näher die drei Reisenden mit ihrem ruckelnden Beiboot kamen, desto klarer wurde ihnen, wie gigantisch die Ausmaße dieses von einer hohen Mauer wie von einer Backform zusammengehaltenen Gebildes waren.
Die Ruine – der Mittelpunkt des ganzen Landes – war noch größer und fremdartiger als Witercarz.
»Dieses Land ist voller Wunder«, sagte Adain halblaut und dachte bei sich: Womöglich gibt es ja doch so etwas wie einen ordnenden Gott?
Das Wunder bestand darin, dass es die Ruine überhaupt noch gab.
Alle anderen Städte, die nicht durch den Windschatten eines Gebirges behütet gewesen waren, waren von der gleißenden Welle der Großen Weiß-Sagung zu Asche zermahlen worden. Nicht jedoch die ehemalige Orison-Stadt. Diese riesige Ansiedlung war lediglich geschmolzen und sah jetzt aus wie ein zerflossener, in sich zusammengesunkener Gletscher mit Tausenden von Mündern, die einstmals Fenster gewesen waren. Das gesamte Gebilde war von silbriger Farbe, glänzte jedoch im Sonnenlicht stellenweise in allen Farben des Regenbogens, als sei es mit einer öligen Schicht überzogen. In der Mitte des gigantischen Monuments, das wie das Grabmal einer Stadt anmutete, waren noch die ungefähren Umrisse des Königspalastes zu erkennen. Straßen und wie aus Wachs sich windende Gänge, Treppen und gussgratartige Brücken führten in den Komplex hinein.
»Das war einst die Hauptstadt, vor über zweihundert Jahren«, erläuterte Adain mit den Gesten einer Ortskundigen, die Fremde durch ihr Revier führt. Dabei war sie noch nie hier gewesen. Als Dämon erinnerte sie sich zwar an das Land, bevor es Menschen gab. Aber Orison-Stadt kannte sie nur von den überreichlichen Geräuschen, die sie während des
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