Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
Schiffspositionslicht, waren diese Steine so gut wie überhaupt nicht auszumachen. Adain wurde an der rechten Schulter getroffen, wirbelte zweimal um seine Längsachse und blieb schnaufend liegen. Dem nächsten Stein entging er nur durch eine für ihn ungewöhnlich hektische Ausweichrolle. Sein asymmetrischer Dämonenkörper fühlte sich unzulänglich an. Selbst die Hausfrau hatte ihm besser gepasst – immerhin waren ihre Beine, wenn auch kurz, so doch gleich kurz gewesen.
Glai kauerte nun wieder auf eigenen Füßen. Sie schwankte etwas, fühlte sich schwach und müde, stützte sich auf Koaron. Sie alle waren vor dem Sperrfeuer der Stadtmauer hinter einem umgestürzten Karren in Deckung gegangen. Unablässig donnerten Steine gegen den Holzboden des Karrens, der sich bog und splitterte und staubte unter jedem Treffer. Das mit der Deckung war ein Problem in dieser Stadt: Liebend gerne hätten sie sich hinter der schützenden Massivität eines Hauses verkrochen, aber den Häusern konnte man nicht trauen. Einem herumliegenden Fuhrwerk vielleicht.
»Wie kommen wir weiter?«, fragte Koaron, dem längst die klaren Gedanken abhandengekommen waren. Immer wieder blickte er sich auch nach hinten um, ob nicht eines der Häuser auf sie zuraste, um sie zu zermahlen.
»Wir schieben den Karren vor uns her«, schlug Adain vor. Und dann begann die Plackerei. Der Karren war nicht nur schwer, sondern ihn über Sand zu schieben war noch weitaus anstrengender, als wenn er nur auf Straßenpflaster gelegen hätte. Für jede Handbreit, die sie ihn voranwuchteten, trieb ein steinerner Volltreffer ihn wieder eine halbe Handbreit zurück.
»Wie kommt es eigentlich«, ächzte Koaron unterdessen mit Pausen zwischen sämtlichen Worten, »dass es in der Stadt so viel Sand gibt? Müssten die Berge den nicht eigentlich genauso abgehalten haben wie die Weiß-Sagung?«
»Ich habe langsam eher den Eindruck, die Berge haben überhaupt nichts abgehalten«, antwortete Adain mit schiefem Grinsen. »Die Berge haben alles nur … verfremdet. Statt ehrlicher Zerstörung regnet es hier seit zwei Jahrhunderten Sand und Seltsamkeit. Oder der Sand ist eine Absonderung der Stadt. So eine Art körniger Straßenschweiß.«
»Und die Bescheidenen ? Wussten sie nichts davon? Was wollten sie hier?«
»Ich wundere mich auch. Laut Logbuch war allein das zerschmetterte Schiff viermal hier, und erst beim vierten Mal ist etwas passiert. Entweder muss man nachts hierherkommen, damit die Stadt sich zu bewegen beginnt, oder …«
»Oder?«
»Es hat sich etwas verändert. Vor Kurzem erst.«
Was konnte sich verändert haben? In Witercarz? Im Land?
Er hatte den Dämonenschlund verlassen. Er selbst, Adain. Ein Dämon war wieder in die Welt gekommen, der erste seit sehr, sehr langer Zeit. Hatte auch das Auftauchen des riesigen roten Hundes mit ihm zu tun? War der Hund nicht letzten Endes ganz gezielt ihm zugelaufen? Löste Adain Beschleunigungen und Vervielfachungen aus, einfach nur dadurch, dass er an der Oberfläche unter den Menschen und ihren Handlungen umherging und Einfluss nahm? Er erzeugte dadurch etwas. Letzten Endes hatte er den gesamten schwachsinnigen Feldzug der Aztrivavezer gegen Kirr mit eingeleitet. In Aztrivavez hatte er Blut vergossen, vor Kirr und in Kirr noch viel mehr. Und auch jetzt führte er Witercarz Opfer zu. War er ein Werkzeug der Großen Weiß-Sagung, ein Instrument, das etwas Unvollendetes vollenden sollte? Was war dann der König, Paner Eleod? Sein vorherbestimmter Widersacher? Oder in Wirklichkeit seine unerlässliche Ergänzung?
Der Dämon hörte bewusst auf zu denken und konzentrierte sich wieder nur aufs Schieben. Eigentlich musste der Beschuss irgendwann nachlassen, wenn die Stadtmauer sich selbst vollkommen aufgebraucht hatte. Aber wenn dieselbe Taktik dann auch auf die Häuser übergriff und die gesamte Stadt sich in einen Schwarm zornig umherrasender Steine verwandelte, wollte Adain die Umrisse von Witercarz lieber bereits weit hinter sich gebracht haben. Also mühten sie sich und schufteten, und auch Glai gab ihr Bestes, während ihr die Tränen über das Gesicht liefen und sie sich sicher war, dass die Befreiung aus dem Kerker ihr Leben nicht verbessert, sondern lediglich unklarer gemacht hatte.
Jenseits der Mauer waren die Konturen der Miralbra Liv nun schon ziemlich deutlich auszumachen. Adain staunte nicht schlecht, als er neben einer winkenden und hüpfenden Voy sowie einem unruhig auf und ab gehenden Uthlen auch die
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