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Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten

Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten

Titel: Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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ihn aufs Neue anhob und durch die Luft wirbelte wie ein Herbstblatt, zur Stadt, mehr zufällig als geplant. Da sah er Witercarz, das Gesicht von Witercarz, halb aufgerichtet, wütend, steinern, uralt, ewigzeitlich, kolossal, den Kopf umschwirrt von weißen Geschossen oder Kristallen oder was immer das war. Der Nachthimmel schien rot zu glühen wie der große Hund. Erneut stockte Adain der Atem, aber es mochte nur eine Vision gewesen sein, denn nachdem er erneut gelandet war, schon wieder mit dem Mund im Sand, und noch mal hinüberblickte zur Stadt, war da nichts mehr außer der lückenhaften Mauer und der Silhouette einiger Gebäude unter dem Funkeln des nächtlichen Windes. Der Kirchturm fehlte in dieser Silhouette. Denn der Kirchturm steckte jetzt in der Miralbra Liv .
    Zum ersten Mal, seitdem er in einem zumindest annähernd menschlichen Körper steckte, brach der Dämon Adain in schallendes Gelächter aus. Es schüttelte ihn so sehr, dass er sich kaum noch zu beruhigen vermochte. »Verrücktes altes Mädchen Witercarz! Was für ein gänzlich unerwarteter und tollkühner Zug!«
    Gleichzeitig mit Adains Gelächter begann Koaron zu kreischen: »Glai! Glai! Glaaaaaiiiiiii!« Der Junge kroch zu dem Kirchturm, der mit der Spitze voran im Sand steckte, einige wenige Masttrümmer der Miralbra Liv unter sich ausgebreitet wie ein ungelenk konstruiertes Nest. »Glai! Glai! Glaaaaaiiiiiii!« Dort wühlte er dann flennend im Sand herum, als sei Glai die große Liebe seines Lebens gewesen anstatt seine mütterliche Beschützerin. Adain wollte sich sein Lachen nicht verderben lassen, aber das misslang. Sein unmenschliches Gesicht erstarrte erst zu einer Grimasse des Lachens, dann zu einer Fratze der Unzufriedenheit. »Glai! Glai! Glaaaaaiiiiiii!« Er hatte nicht übel Lust, Koaron totzuschlagen, damit das Geplärre endlich aufhörte.
    Um den Kirchturm herum kam Bakenala gewankt. Sie blutete aus einer Platzwunde an der Augenbraue, schien aber ansonsten unbeschadet davongekommen zu sein. Adain nickte diesem außergewöhnlich zähen Mädchen bewundernd zu. Und plötzlich vermisste er seine männliche Identität. Bakenala war schön und belastbar, als Mann hätte er jetzt etwas anderes mit ihr anzufangen gewusst, als ihr nur unverbindlich zuzunicken. Selbst als Frau. Als Zwitterwesen. Alles, nur nicht dieses Nichts mit den sämtlich zu kurz geratenen Gliedern. Die menschliche, zwischenmenschliche Geschlechtlichkeit verlieh einem eine Möglichkeit zur Triebentfaltung, zum Austoben, zur Entladung. Dieser Dämonenleib dagegen war nichts weiter als ein Kerker, in dem Frustrationen kauerten. Adain fletschte die Zähne, aber er hatte nicht einmal ein richtiges Gebiss, eher eine hornartig wuchernde Kauleiste. Es war, wie der ehemalige Dämonenheerführer Culcah gesagt hätte, zum Kotzen.
    Koaron winselte noch immer. Nach dem nun verschütt gegangenen Proviant zu graben wäre sicherlich sinnvoller gewesen als nach Glai, die nun bestimmt flachgepresster war als eine Logbuchseite. Uthlen wand sich ebenfalls vor Schmerzen, doch er keuchte wenigstens nur leise. Mindestens sein eines Bein war hin, der ganze Mann im Grunde genommen unbrauchbar und nur aus Verlegenheit Teil der Mannschaft. Voy und Bakenala. Mit diesen beiden konnte Adain sich eine Zukunft vorstellen. Mehr brauchte kein Dämon.
    Unvermittelt kam ihm eine Idee.
    Er hatte wieder eine Frau sein wollen.
    Er hatte ein Mann sein wollen. Irgendetwas, aber etwas mit einer Ausformung.
    Es war der älteste Dämonentrick von allen. Die beiden Flüchtlinge Gäus und Irathindur hatten ihn seinerzeit praktiziert. Adain jedoch hatte ihn noch nie in ruhiger Überlegung ausprobiert, er hatte sich seine Körper immer entweder selbst gestaltet oder im Verzehrt- und Aufgesogenwerden rasch reagieren müssen, aber noch niemals zuvor hatte er sich einen Leib gestohlen, der ihm bewusst gefiel.
    Mit dem liebenswürdigen Lächeln eines Hais näherte er sich Bakenala. Sie wich instinktiv ein wenig zurück, aber vielleicht auch nur, weil sie noch taumelig war von den Strapazen. Adain fasste nach ihrer Hand, dann nach ihrer Stirn, wie um sich ihre Wunde anzuschauen. Dann sprang er aus seinem Inneren heraus in sie hinein.
    Es war noch mehr als eine Vergewaltigung. Sie wurde aus ihrem Körper hinausgestoßen, mit roher Gewalt und ohne sich angemessen wehren zu können. Ihr Ich sah sich plötzlich der nackten Wüste ausgesetzt. Ihr Ich begann zu schreien, aber niemand konnte es hören, selbst Adain nicht, der

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