Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten

war. Sie bestellten das Beet, das nicht aus fruchtbarer Muttererde, sondern aus Wüstensand bestand. Die Bürger , die von draußen hereinkamen, diejenigen also, denen Adain gefolgt war, brachten frischen Sand herbei. Andere wiederum transportierten Sand, dessen spezifische Eigenschaften möglicherweise verbraucht waren, nach draußen. Der Sand war alles. Mit Sand wurde gedüngt, mit Sand wurde gefüttert, mit Sand wurde gereinigt, mit Sand wurde gewärmt und gekühlt, mit Sand wurde verziert und gebaut – und aus dem Sand wuchsen die mannshohen Wüstendämonen in all ihrer Vielfalt. Bei vielen waren nur die Köpfe zu sehen, andere steckten noch bis zu den Schultern fest, weitere nur noch bis zu den Hüften, und einige wenige standen beinahe schon vollständig aufrecht und wirkten wie bereit zum »Ernten«. Adain zählte mehr als dreißig verschiedene Arten, bei sicherlich dreihundert, vierhundert heranwachsenden Einzelwesen. Große waren nicht dabei. Wie die Großen entstanden war immer noch ein Mysterium. Die Mannshohen jedoch wurden offenbar von den Bürgern dieser Ruine gezüchtet.
    Wozu?
    Wer lenkte all dies?
    Welchem komplizierten Plan folgte dieser bizarre Anbau von Gespenstern, der eine ganz eigene Spezies dieser Gespenster, die Bürger , hervorgebracht hatte, damit diese sich um die Aufzucht sämtlicher anderer Formen kümmerten? Unter den Plänen des Dämonenkönigs Orison, die Adain mehr als zweihundert Jahre lang am Grunde des Dämonenschlunds studiert hatte, war nichts dergleichen zu finden gewesen. Wenn es also nicht Orison war, der all dies in die Wege geleitet hatte – wer dann? Und zu welchem Zweck? Was waren diese Wüstendämonen denn anderes als fahle Nachahmungen von Lebensformen, die es nicht mehr gab? Die ausgestorben waren.
    Und plötzlich begriff Adain.
    Die Wüstendämonen verkörperten eine Sehnsucht.
    Die Sehnsucht des Landes nach seinen Dämonen, die einstmals, bevor die Menschen sich alles untertan gemacht hatten und die Vielfalt durch starre Regeln begrenzten, als wundervolle Fabelwesen das Land bevölkerten. Nun brachte die Wüste nur noch Schemen hervor, Schemen, die alle mehr oder minder blind und stumm und nasenlos und dumm waren, tauber Staub, aber immerhin eine Erinnerung an bessere Zeiten. Das Land begehrte seine Dämonen, verlangte nach einem Neubeginn. Und gab sich vorerst mit Scheinwesen zufrieden? Das leuchtete Adain immer noch nicht richtig ein.
    Was ihr allerdings klar wurde, war ihre eigene tragende Rolle in diesem Geschehen. Sie war ein echter, leibhaftiger Dämon. Die Letzte ihrer ganzen Gattung. Ihr Dasein, ihre Reise, ihr Wissen erfüllten einen Zweck. Und mit einem Mal begriff sie, dass eben doch niemand anderes als Orison höchstpersönlich dahinterstecken konnte.
    Was immer damals auf der Senke von Zegwicu geschehen war – es war nicht geplant und auf den Karten des Schlundes verzeichnet gewesen. Orison selbst war umgekommen. Das ganze Land war zu Asche ergraut. Niemals hatte Orison für sein Land ein dermaßen furchtbares Schicksal im Sinn gehabt. Er hatte Krieg geführt gegen die Menschen, aber nicht gegen das Land an sich. Etwas war aus dem Ruder gelaufen. Etwas Furchtbares. Durch einen Faktor, den auch Orison nicht vorherzusehen imstande gewesen war.
    Dennoch war noch nicht alles vorbei. Ein Notplan war im Gange. Vielleicht von Orison und seinem Heerführer Culcah in aller Eile in der eroberten Hauptstadt aus dem Boden gestampft: Falls alles verloren gehen sollte, würden Echos von Dämonen weitere Echos hervorbringen, in akribischer, jahrhundertelanger, mühseliger Kleinarbeit. Als Gärtner des Brachlandes. Ackerbauern der Ödnis. Aber um was damit zu erreichen? Um die überlebenden Menschen daran zu gemahnen, dass es dereinst Dämonen gab? Oder um sie , Adain, wenn sie dereinst endlich den Mut finden würde, aus dem Schlund emporzusteigen, daran zu erinnern, dass etwas fehlte? Aber musste sie daran erinnert werden? Sie war doch selbst ein Dämon und konnte sich noch erinnern.
    Was war, wenn es nicht um sie ging und auch nicht um die Überlebenden dieses Landes, sondern um einen Außerordentlichen, der von außen kam, neugierig geworden aufgrund der Wüstendämonen, um zu erforschen und zu ergründen und eine neue Ordnung heraufzubeschwören? Ein Außerordentlicher wie Paner Eleod aus Coldrin. Ging es um ihn? Diente all dieses scheinbare Leben dazu, ihn mit einer Idee zu erfüllen, ihn dazu zu bringen, den Ursprungszustand des Landes anzustreben?
    Adain