Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
Töten wir sie jetzt, auf der Stelle und für immer!«
»Das wird nichts nützen«, sagte der König. »Sie wird einfach nur wiederauferstehen und jedes Mal schöner als zuvor.«
Adain ahmte eine Verbeugung nach, die sie beim Vorüberschlendern auf einer Aztrivavezer Liederbühne gesehen hatte.
»Aber weshalb sind wir dann hier?«, fragte Gilgel schrill.
»Geht«, sagte der König. »Geht alle. Zieht euch bis zu den Booten zurück, schnell. Wenn es sein muss, schleppt die Boote mit euch südwärts. Bald wird es wieder Wind geben. Bald.«
Einige aus dem Gefolge setzten sich bereits in Bewegung. Die junge Äleuis zögerte, von der Seite ihres Königs zu weichen. »Geh«, sagte Paner Eleod noch einmal ganz direkt zu ihr, und mit Tränen in den Augen löste sie sich von ihm.
»Ich fürchte, das werde ich nicht zulassen können«, sagte Adain kopfschüttelnd und zog Die Stimme und Das Schweigen . Es war, als hätte jemand auf dem gläsernen Untergrund zwei schwarze Funken geschlagen. Sie rannte, so schnell es ihr Bakenalas Leib erlaubte, auf die sich Zurückziehenden zu. Der König stellte sich ihr mit ausgebreiteten Armen in den Weg. Er sah beinahe aus wie jemand, der eine leidenschaftlich auf ihn zufliegende Frau einfach nur abfangen und festhalten möchte. Gilgel fummelte hektisch herum, um sich die im Gewitterregen gewaschene Kampfmaske Kapitän Renechs aufzusetzen. Anschließend wandte er sein hölzern erstarrtes Fangzahngrinsen dem Geschehen zu.
Der Dämon und der König passierten einander.
Das sah sehr eigenartig aus. Der König versuchte den Dämon zu ergreifen, doch das Unwesen in der Gestalt der begehrenswerten Bakenala wich der beabsichtigten Berührung aus, mit einer Bewegung, die keusch wirkte und gleichzeitig unduldsam. Durch die Zurückweichenden lief ein Schrei. Äleuis zögerte abermals, wollte ihrem König zu Hilfe eilen. Dieser jedoch war überhaupt nicht in Gefahr. Er fasste ins Leere, und zum ersten Mal sah sie ihn straucheln. Zum ersten Mal in seinem Leben überhaupt hatte jemand sich seiner Hand, seinem Angriff oder seiner Umarmung einfach entzogen.
Adain zog ihre beiden Klingen hinter sich her wie Zierbänder. Sie griff den König nicht an. Es war Gilgel, der Die Stimme zu spüren bekam, mit ungeteilter Aufmerksamkeit. Gilgels Körper zerriss in zwei Teile, und die Maske schrie noch eine Weile, bis sie blasig blubbernd verstummte.
Jetzt wurde das Schreien der Zurückweichenden heller und lauter, es gewann an Leuchtkraft. Der König schlitterte auf dem Glas und kam nicht mehr vorwärts. Als der Dämon ihn passierte, hatte dieser irgendetwas mit dem Sand gemacht, das Glas darunter freigelegt, die Wüste dadurch in einen zugefrorenen See verwandelt. Aus den Zurückweichenden stieg Blut. Rote Fontänen vergehenden Lebens. Die Stimme wehklagte, Das Schweigen knirschte mit fremden Zähnen. Auch Voy hob ihre Hände zum Mund und schrie ihren Ekel hinaus. Koaron drückte sie bebend an sich. Der König in seiner rutschenden Ohnmacht wandte sich ihnen zu – sein Blick verkündete Ratlosigkeit und Schmerz.
Adain drang unter die Eskorte wie ein Wolf in eine Herde Lämmer. Es waren Beschnittene dabei, hartgesottene Kämpen, und auch die eine oder andere erfahrene Wüstenseglerin. Sie erloschen aufgrund der Zuwendungen von Die Stimme und Das Schweigen wie Kornähren unter den Hieben einer Sense. Fleisch verwandelte sich in Schnitte, Schädel in zerhackte Gefäße. Der König spürte jeden einzelnen Streich, als träfe er ihn selbst. Er schlieferte auf allen vieren über das Glas wie über einen riffeligen Spiegel. Mit verzerrtem Gesicht krümmte er sich zusammen und entließ den Hund, gab ihn einfach frei, dem Zerren und Drängen nach.
Orogontorogon wuchs in die Höhe mit einem triumphierenden Geheul. Koaron und Voy sanken beide ineinander, denn ihre Knie konnten ihren Leibern keinen Halt mehr bieten. Adain tötete den Vorletzten aus des Königs Gefolge, zögerte einzig vor Äleuis, in die sich der Dämon verliebte, weil sie dem Tod so viel Verachtung und dem König so viel Treue entgegenbrachte.
Glas und Sand schwammen, zu Ornamenten werdend, in Blut.
Die Senke von Zegwicu, auf kleinerem Raum verdichtet, nach zweihundertundzehn Jahren neuerlich Schauplatz eines Gemetzels.
Es war wie zwischen den Häusern von Kirr, nur ebener und ohne Schatten.
Und es war noch nicht vorüber.
Der riesige rote Hund ragte auf bis unter die vereinzelten Wolken, schien nur die Klauen heben zu müssen, um sie
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