Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
rechts des Weges. Wenn es Lebenskraft gibt im Überfluss, überfresst ihr euch an ihr, bis keine mehr da ist. Orogontorogon war nicht anders. Culcah, der Heerführer, war nicht anders. Adain, der Zögerliche, der im Schlund verbleiben wollte, weil er sich dort sicher fühlte, glaubte von sich, anders zu sein, aber im Grunde genommen war er ebenfalls nicht anders.«
»Ich muss also aufgeben, was mir am teuersten ist? Das Leben selbst?«
»Um einen neuen Garten zu schaffen, ja. Wenn dir eine Wüste genügt, dann bleib, wie du bist.«
Adain dachte nach. Er wechselte Blicke mit dem König Paner Eleod, der sich jedoch außerstande sah, irgendwelche Ratschläge zu erteilen. Auch Voy und Koaron waren nichts anderes mehr als schlotternder Zierrat am Rande eines überlebensgroßen Geschehens.
»Was wird aus dir?«, fragte Adain den Hund.
»Aus mir?«, erwiderte der Hund verdutzt. »Weshalb ist das von Belang? Ich bin nur eine Erinnerung.«
»Nun, ich nehme an, dass Orison, wenn ich ihn erwecke, deinen Leib übernehmen wird, denn dein Leib ist der königlichste weit und breit. Aber was wird aus der Erinnerung an Orogontorogon?«
»Das ist eine interessante Frage«, antwortete der Hund mit grinsendem Maul. Seine Augenbrauen zuckten nachdenklich. »Weißt du eigentlich, weshalb Orogontorogon Mitglied im Rat war? Er war doch nie einer der Klügsten, seien wir doch mal ehrlich. Also warum nahm ihn Orison in den Rat auf?«
»Weil Orogontorogon eine Kämpfernatur war? Weil er etwas Wildes hatte, das den anderen, zu lange im Schlundmahlstrom gefangen gehaltenen Dämonen längst abhandengekommen war?«, riet Adain.
Der Hund verbreiterte seine Lefzen zu einem Grinsen. »Nein. Er war der allererste . Der Hund. Treuer Gefährte des Dämons Orison, als er durch das Land ging, um es nach seinen Vorstellungen zu formen.«
»Orogontorogon war Orisons Hund?«
»Gewissermaßen. Sie waren beide Dämonen natürlich, aber in seiner ursprünglichen Hundeform war Orogontorogon Orisons erster Begleiter. Deshalb sind auch ihre Namen ähnlich. Orison betrachtete ihn als eine brodelnde Erweiterung seiner selbst. Ein Freund. Ein Begleiter. Im Laufe der Zeit änderte sich das nur unwesentlich. Orogontorogon wurde zwar bewusster und aufrechtgehender und dämonischer, behielt aber seine Hundeartigkeit bei. Er war wie ein treuer Rebell. Ein beständiger Prüfstein. Orison wird ihn dort wiedererschaffen, wo Orogontorogon sein Ende fand, denn dieser Ort ist ohnehin Orisons Ziel.«
»Welcher Ort?«
»Die Insel Kelm. Wo die Zeit langsamer verstreicht und das Leben noch grünt. Wo die Samen sind und die Magie allem innewohnt.«
Adain seufzte. »Schade, dass ich diese Insel nicht sehen kann, weil ich dann schon tot bin.«
»Wer sagt, dass du dann tot sein wirst?«
»Du sagtest, ich solle mein Leben opfern.«
»Nein. Ich sagte, du sollst deine Fähigkeit, wiederkehren zu können, preisgeben. Du wirst dann nur noch dieses eine Leben haben. Wie alle anderen Dämonen, alle Menschen, alle Hunde, alle Gämsen und alle Rekamelkish auch.«
»Aber dieses Leben wird kurz sein, weil dieser Leib verwundet wurde.«
»Ach, das. Im Angesicht Orisons ist eine solche Wunde auch nichts weiter als eine Erinnerung.«
Adain atmete, befühlte den Stich in ihrer Seite. Bakenalas Blut pulste dort zwischen ihren Fingern hervor. Lebenskraft, verströmt. In den Sand tropfend, zu dem übrigen Vergossenen. Alles fügte sich in den Kreislauf ein. Die Umdrehungen des Strudels. Wie Herzschläge.
Sie dachte darüber nach, ob man einem ins Riesenhafte verzerrten roten Hund, der nichts weiter als ein Überbleibsel der maßlosen Selbstüberschätzung eines vor 210 Jahren gestorbenen Dämons war, überhaupt trauen sollte oder ob man sich nicht im Angesicht des Himmels lächerlich machte, wenn man das tat. Der Himmel jedoch sah unentschieden aus. Er wies überhaupt keine Farbe auf, ähnlich wie die Wüste. Der Hund war – abgesehen vom fernen Schnee der Berge – das Leuchtendste ringsum.
Sie mochte sein kluges und gleichzeitig unbezähmt eigenwilliges Gesicht.
»Also, was muss ich tun?«
»Nicht viel. Setz dich in den Sand, gib dich verloren und denke an Orison.«
»An das Land oder den König?«, fragte Adain lächelnd.
»An beides«, gab der Hund ebenso zurück.
Ächzend setzte Adain sich nieder. Dabei beschlich sie das Gefühl, dass ihr für ein neuerliches Aufstehen schon gar keine Kraft mehr blieb. Die Wunde blutete und blutete, als gäbe es in ihr kein Halten, als
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