Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
in das halb gekenterte Beiboot.
Jitenji und Tibe lenkten und segelten das letzte verbliebene Beiboot gemäß dem früheren Befehl des Kapitäns. Mit Bakenala, Gilgel und Adain an Bord war es hoffnungslos überladen, aber Gilgel kam schon bald wieder genügend zu sich, um zu protestieren und »nicht dicht an dicht mit der Seelenverderberin lagern« zu wollen. Er sprang ab und ging nebenher, was Adain ausgesprochen bedauerlich fand.
Kapitän Renech stützte sich beim Gehen auf Voy. Er humpelte, als sei er verwundet, aber vielleicht war auch nur irgendetwas in seinem Inneren kaputtgegangen. Koaron und Glai gingen ebenfalls nebeneinander. Koaron musterte Adain, deren grünliche Haare im Sonnenschein des frühen Morgens wie patiniertes Kupfer schimmerten. Glai wiederum musterte Koaron und die begehrlichen Blicke, die er auf die schöne Fremde richtete. Zemu marschierte schnaufend vorneweg. Gilgel bildete die Nachhut. Er hatte die Maske des Kapitäns abgenommen, machte jedoch keine Anstalten, sie jemals wieder zurückzugeben. In seinen Augen war Renech kein richtiger Kapitän mehr, sondern eher ein verantwortungsloser Spieler, der sein gesamtes Kommando gegen ein schauriges Dämonenweib eingetauscht hatte. Es war Gilgel schleierhaft, weshalb er der Einzige war, der versuchte, die Dämonin zu töten. Vielleicht standen die anderen bereits im Bann ihrer Augen oder ihres verheißungsvollen Leibes. Vielleicht aber auch vermochte nur er die Zeichen der Wüste richtig zu deuten, denn er war in ihr geboren worden, auf einer Düne geworfen von einer Sammlerin, die die Stadt nicht mehr rechtzeitig erreicht hatte. Und als er erwachsen wurde, hatte er sich einen Namen verdient, der gleichbedeutend mit »Dämonentöter« war.
Die Wüste ringsum war leblos und hell. Die Sammler setzten ihre Schutzbrillen wieder auf, Koaron beschirmte seine Augen mit der Hand oder mit den Faltenwürfen seines Schals.
Wasser hatten sie nur wenig. Jedes Beiboot war mit einem Notkanister ausgestattet.
Aber sie brauchten nicht lange zu wandern.
Sie waren nicht weiter als eine Tagesreise von Aztrivavez entfernt. Hier kreuzten bereits etliche Miralbras auf der unermüdlichen Suche nach Großen und Mannshohen.
Es war die Miralbra Xli unter dem Befehl der Kapitänin Celif, welche die vom Sandstaub bereits weißgewehten Überlebenden der Miralbra Vii erspähte und aufsammelte. Neben der breitschultrigen, stets gut gelaunten Celif sah Renech doppelt so alt, doppelt so gebrechlich und doppelt so untröstlich aus. Dass sie ihn fest an sich drückte, bis seine Knochen knackten, machte das nicht besser.
Als Adain an Bord kam, staunten die Männer der Besatzung, und die Frauen verzogen geringschätzig die Gesichter. Aber niemand an Bord der Miralbra Xli reagierte ähnlich argwöhnisch auf sie wie Gilgel. Niemand auf diesem Schiff hatte ähnlich wie Gilgel an seiner eigenen Nabelschnur das Raspeln und Wispern des hungrigen Sandes verspürt, und niemand trug seinen geheimen Namen.
V
Schlüssel zum Königreich
Aztrivavez.
Wie eine kunstvoll aus Korallen geflochtene Kette lag sie da, diese Stadt, lang hingeräkelt in den Sand, ein aus gelblichem Zucker gebackenes Kleinod zwischen dem gleißenden Weiß der Wüste und dem tiefen, irritierend funkelnden Grün der See.
Aztrivavez.
Die größte Ansiedlung eines einstmals von pittoresken Küstenstädten umrahmten Landes. Aztrivavez hätte sich »Hauptstadt« nennen können, aber es gab kein nennenswertes Land mehr, über das zu residieren sich lohnte.
Lange vor der großen Weiß-Sagung markierten zwei Städte die Südspitze des Landes: Aztreb und Icrivavez.
Die Menschen lebten vom Fischfang, vom Bootsbau, vom Seetang verarbeitenden Handwerk, von den im ganzen Land berühmten Korallenketten aztrebischer oder icrivavezischer Färbung, von der Salzgewinnung und dem Handel mit mannigfaltigen Echsenwalprodukten.
Doch die beiden Städte gehörten zwei unterschiedlichen Baronaten an: Aztreb dem Siebten Baronat und Icrivavez dem Sechsten Baronat. Und eines Tages kam es zwischen diesen beiden Baronaten zu einem blutigen Grenzkonflikt. Das Siebte Baronat beanspruchte den Dämonenschlund für sich, jenen mythenumwobenen Ort, an den der Landesbegründer und Magier Orison einstmals die furchtbarsten Feinde der Menschheit, die Dämonenbrut, verbannt hatte. Den Ort also, an dem eine düstere Zeit der Schrecken ihr Ende fand und von dem aus Frieden und Wohlstand ihren Anfang genommen hatten. Der Dämonenschlund lag – den
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