Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
vollkommen überrumpelt, wurden der doppelte Raub einer unvorstellbaren Raserei. Beide Städte brannten nieder, während sie zermalmt wurden, und wurden zerkaut, während man sie anzündete. Nur sehr wenigen Menschen in halbzerfetzter Kleidung gelang die Flucht aufs offene Wasser. Auf leeren Fässern sitzend oder an eine rußgeschwärzte Kommode sich klammernd paddelten sie um ihr Leben. Zwischen Aztrebern und Icrivavezern bestand nach all diesen Jahren des verborgenen Geschwisterzwists nicht der geringste Unterschied mehr.
Aber es sollte noch schlimmer kommen. In der Vernichtung wurden auch die übrigen Städte und Schlösser des Landes gleichgemacht.
Es kamen der bleiche Sturm, die Finsternis und die Stille. Niemand, der in den Krieg gegen die Dämonen gezogen war, kehrte zurück.
Es gab nichts mehr im Lande des Dämonenschlundes.
Die auf das Meer Geflüchteten kehrten ans Land zurück, halbverdurstet und vom Salz geschunden, zusammengelesen und geführt von einem zornigen, trunkenen Mann, der sich Blannitt nannte und sein kleines, bauchiges Schiff die Miralbra . Aus Aztreb und Icrivavez zusammengenommen gab es kaum mehr als einhundert Überlebende. Einhundert zittrige Gestalten, die mehr oder weniger unfreiwillig die Wüstwerdung ihres Landes überstanden hatten und sich nun in den niedergebrannten Städten in Ruß und Schutt aneinanderkauerten, frierend, hungrig und schutzlos. Blannitt brachte ihnen das Fischen neu bei, in einer Grünen See, die im Laufe der kommenden Jahre immer fremdartiger und gefährlicher wurde, weil fast keine Menschen mehr ihren beutemachenden Einfluss auf sie ausübten.
Dann verschwand Blannitt, der den Elenden so etwas wie Hoffnung gegeben hatte.
Eines Morgens war er fort, zusammen mit seiner alten Miralbra . Er wollte die grüne Insel wiederfinden, hatte er zuletzt gesagt. Die Insel, wo die Zeit keine Macht hatte und auf der Krieg sich nicht halten konnte und Dämonen und das Unglück auch nicht. Er wollte diese Insel wiederfinden, ihre Position verzeichnen und die Elenden dann dorthin führen. Aber er kehrte niemals zurück.
Die Elenden balgten sich untereinander und lebten wie Ratten von Unrat.
Doch einer von ihnen ergriff das Wort. Er nannte sich Dereiferer . Er war ein Mann mit lodernden Augen und schwer zu bezähmenden Begierden.
Er gründete eine Sekte.
Diese Sekte nannte sich die Fruchtbaren . Man bezeichnete sie aber auch als die Besamer . Sie hüllten sich in dunkle Umhänge, deren Vorderseiten ein gezacktes Loch aufwiesen, und darunter waren sie nackt und bedrohlich. Es waren Männer, die umhergingen und sich die Frauen nahmen, bis diese schwanger waren. Und wenn die Frauen dann entbunden hatten, wurden sie aufs Neue genommen. Und dann abermals. Und abermals, bis jede Frau so viele Kinder wie möglich zur Welt gebracht hatte. Als Gegenleistung für all ihre Qualen, ihre Demütigungen und ihre Kindbettleiden wurden die Frauen von den Fruchtbaren mit guter Nahrung versorgt und ihre Kinder ebenfalls. Die Fruchtbaren wurden vereinzelt auch als Fruchtbringer bezeichnet, denn gute Nahrung war rar in den ersten Jahrzehnten nach der Wüstwerdung. Es gab kein lebendiges Hinterland mehr, nur noch die ihrerseits immer gieriger werdende See, doch die Fruchtbaren verwalteten das Geheimnis unterirdischer Gärten und verfügten über Obst, wo andere noch nicht einmal über Brot verfügten.
Die Fruchtbaren verfolgten das Ziel, die Städte mit Menschen aufzufüllen. Und in jeder Generation verdreifachte sich aufgrund dieses Plans die Zahl der Einwohner. Waren es am Anfang nur 100 gewesen, waren es nach dreißig Jahren bereits 300 . Nach 60 Jahren 900 . Nach 90 Jahren 2700 . Nach 120 Jahren 8100 . Nach 150 Jahren 24300 . Nach 180 Jahren 72900 . Und jetzt, 210 Jahre nach der großen Weiß-Sagung, lebten annähernd 218700 Menschen an der Südspitze des vor Grauen erbleichten Landes.
Aus den beiden vom Schicksal zertretenen Städten Aztreb und Icrivavez hatte sich ein einziges, langgestrecktes Gebilde geformt, dünn besiedelt, aber mit pestbeulenartigen Verdickungen dort, wo das Leben sich ballte und tobte. In den Gatterdocks zum Beispiel, in denen Gefangene aufeinandergehetzt wurden und nach wie vor wohlgenährte Frauen sich von mageren Matrosen kaufen ließen, oder in den Sanddocks, in denen die jungen Städter ihre lebensgefährlichen Wettkämpfe im Segelspringen austrugen, um sich zu messen und um sich vorzubereiten auf entweder die Wüste oder das Meer.
Das war
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