Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
Kleidung einen Verband zu improvisieren, der ihn immerhin vorm Verbluten retten sollte.
»Das ist eine riesige Scheiße, Koaron. Ich habe noch nie so einen Schwachsinn erlebt. Zwei der Leute aus unserer Kohorte sind von einem unserer eigenen Mannshohen angefallen und zerrissen worden. Ich glaube, die Bescheidenen haben die Kontrolle über die Dämonen übernommen. Den Kapitän habe ich, glaube ich, auch tot gesehen. Jedenfalls hatte er einen goldenen Backenbart, ansonsten war nicht mehr viel zu erkennen. Wir müssen hier weg, die Schlacht dünnt sich immer mehr aus, dahinten gehen schon Beschnittene rum und geben unseren Verwundeten den Rest. Die machen keine Gefangenen, wie wir das immer tun, die sind richtig wütend auf uns. Wir sind ja auch die Angreifer. Bis zu den Schiffen ist es zu weit, das schaffen wir nicht. Außerdem haben sie die auch schon aufgebracht, wenn ich das richtig sehe. Alles läuft schief. Jetzt geht es einfach nur noch ums Überleben, Junge. Du musst dich jetzt zusammenreißen. Ich kann dich nicht die ganze Strecke tragen, mich hat’s nämlich auch erwischt, wenn ich ehrlich sein soll, hier, am Bein, siehst du? Macht fast einen noch schlimmeren Eindruck als bei dir. Bei dir geht’s doch noch, das wird doch alles wieder, du wirst bald in den Docks neue Sprünge erfinden, das sehe ich schon kommen. Ich werde mich also ein wenig auf dich stützen müssen, meinst du, du kriegst das hin? Wir gehen dahinten zu diesen äußeren Stadtgebäuden und verstecken uns dort, hörst du? He, Koaron, hörst du mir zu?« Sie ohrfeigte den Jungen. Diese Schläge taten ihr mehr weh als ihm. Eine kurze, heiße Sehnsucht durchfuhr sie, nach dem Meeressammler, den sie liebte, und seinen salzigen, immer fordernder werdenden Küssen. All das war so unendlich weit entfernt. Sie hockte im Sand, der durch Koarons Blut verklumpte. Koaron ächzte und stierte sie an, schielend vor Erschöpfung. »Also los jetzt, du musst mir helfen, verstehst du? Deine Beine sind vollkommen in Ordnung, meine sind es nicht mehr so richtig. Wir gehen geduckt, bis dahinten zu den Mauern. Ich achte darauf, dass wir keinen Kämpfenden in den Weg geraten. Los, auf, auf, auf!«
Koaron mühte sich. Seine Schulter schien in Flammen zu stehen. Aber Glais so nahes Gesicht beruhigte ihn. Sogar ihr Atem, der immer ein wenig nach erwärmter Ziegenmilch roch, beruhigte ihn. Er fühlte sich seltsam leicht, als hätte er einen Einhandsegler unter den Füßen.
Sie setzten sich in Bewegung, auf die Stadt der Feinde zu.
Daegren befand sich dort, wo das Getümmel noch am allerdichtesten war. Von ihrer Kohorte waren nur noch Prengvil, drei seiner Vertilger, drei von den Docks und seltsamerweise alle beiden Nachtwächter übrig. Mit Prengvil spürte sie inzwischen eine innige Verbundenheit, denn er hatte schon dreimal Schläge abgefangen, die eigentlich ihr gegolten hatten, und sie hatte schon zweimal dasselbe für ihn getan. Die vier vom stehenden Heer waren gefallen, ohne sich auch nur im Mindesten zur Wehr zu setzen. Wie Opferlämmer beim Fest der Meeresgnade. Die vier von der Bürgerwehr waren davongelaufen, zwei von ihnen waren dabei von einem Kirrer Segler vielleicht zum Spaß überfahren worden. Die beiden Nachtwächter jedoch kämpften wie entfesselt und schlugen auch auf bereits gestürzte Feinde mit unerbittlicher Grausamkeit ein. In ihren Gesichtern war nichts Menschliches mehr, nur noch Haut und Knochen und weiße, drahtige Lippen.
Daegren versuchte, ihre kleine Truppe noch beisammenzuhalten. Immerhin hatte sie überhaupt noch so etwas wie ein Kommando, andere Kohorten hatten sich schon längst in Geschrei und Verwundungen aufgelöst. Die Beschnittenen waren viel bessere Kämpfer als die Aztrivavezer, das war inzwischen allen klar geworden. Sie schienen eine richtige Ausbildung erhalten zu haben, wussten, wie man einen Schild sogar überraschend als Waffe einsetzen konnte, und verstanden es, schnell und gewandt mit dem Schwert umzugehen. Auch waren diese Schwerter viel stabiler gefertigt als der unentschlossene Wackelkram, den die Aztrivavezer aufzubieten hatten. Und dann die Entschlossenheit in den Gesichtern der Beschnittenen! Sie kämpften für etwas. Für ihre Familien, wenn sie welche hatten. Für ihren König. Für ihre Stadt. Ihre Küste. Ihren verneinenden Glauben. Die Aztrivavezer dagegen kämpften nur, weil man ihnen einen Angriff befohlen hatte. Einen Angriff, der undurchführbar geworden war, seitdem der rote Hund das Weite gesucht
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