Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
hatte.
Daegren verstand, weshalb Aztrivavez immer Dämonen für sich kämpfen ließ. Sie begriff allerdings nicht, weshalb der jetzige Angriff nicht schon längst abgeblasen worden war.
Erneut drangen sieben oder acht Beschnittene auf Daegrens kleine Restkohorte ein. Die Entschlossenheit in den asketischen Gesichtern hinter den Schildkrötenpanzern war beinahe ehrfurchtgebietend. Prengvils gelbes Grinsen lenkte Daegren immerhin von der immer wieder in ihr aufwallenden Untröstlichkeit ab. Dann wurde Prengvil die obere Hälfte seines Schädels gekappt, und sein Grinsen wandelte sich, führerlos geworden, zu einem entsetzten, schrecklichen Bibbern. Daegren konnte eine Zeit lang nichts mehr sehen – ob sie Blut oder Hirn in die Augen bekommen hatte oder ihr das eigene Blut zu Kopfe schoss, wusste sie nicht zu unterscheiden. Dann spürte sie, wie etwas Kaltes, Hartes sie aufspießte. Es drang von hinten in sie ein, es war ihr also nicht möglich zu erkennen, von wem es kam oder was es war. Ihre Arme kämpften noch weiter, aber ihr Unterleib fühlte sich an, als hätte er sich in Gelee verwandelt. Schließlich wollte sie es dann doch wissen. Sie ruckte herum, entleibte sich dabei vollends, machte eine Art Ausfallschritt und stieß ihr Gabelschwert beinahe bis zum Heft durch den Hals eines ihrer Nachtwächter, der sie fassungslos anstarrte und dabei unter Zuckungen starb. Das Ganze war ein Versehen, natürlich, aber das machte nun auch keinen Unterschied mehr.
Es dauerte ein wenig, bis man sich um die Miralbra Liv kümmerte. Auf den Decks der anderen Flottillenschiffe wurde gekämpft, dort wehrte man sich, sie hörten Waffenklirren, Todesgurgeln, sahen Menschen rennen und flüchten und in den Sand hinabspringen und sich die Beine brechen und im Großen und Ganzen nichtsdestotrotz von geduldigen Bescheidenen niedergehauen werden.
Endlich machten zwei Segler an der Miralbra Liv fest, und ein Enterkommando kam an Bord. Es handelte sich lediglich um sechs Mann, zwei davon Beschnittene mit Schwert und Schild, vier entweder einfache Kirrer Stadtbewohner oder bescheiden gekleidete Sammler.
»Hier sind nur Frauen an Bord«, hörte Tibe den einen der Beschnittenen sagen. »Es ist widerlich, wie heruntergekommen diese Südküstenhunde sind.« Sie wollte aufbegehren, die Frauen hatten sich ihren Platz auf den Schiffen im Laufe des letzten Jahrhunderts erkämpfen müssen, aber sie ahnte, dass dies jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Grundsatzdebatten war. Jitenji und Bakenala zitterten am ganzen Leib in Erwartung des furchtbaren Schicksals, das ihnen nun blühen mochte. Einzig Voy schaute den Enterern offen entgegen.
Der bislang schweigsame Beschnittene , womöglich der Anführer des kleinen Trupps, stellte sich vor Tibe hin. »Seid ihr vier wirklich die einzigen an Bord?«
Tibe überlegte, ob es sinnvoll war, Zemu als Überraschung in der Hinterhand zu halten, oder ob eine derartige Überraschung nicht nur noch weiteres sinnloses Blutvergießen und letzten Endes ihrer aller Untergang nach sich ziehen würde. »Unser Smutje ist noch irgendwo unten. Es wird nicht leicht werden, ihn zum Aufgeben zu bewegen. Sein Hass auf die Bescheidenen ist groß.«
Zu ihrer Überraschung lächelte der Beschnittene sie an. Ihre Überraschung stieg noch weiter, als dieses Lächeln ihr eigenartig bekannt vorkam. »Warum hasst er uns denn?«, fragte er interessiert. »Was haben wir ihm denn getan?«
»Seine beiden Brüder … sind bei einem Kampf gegen euch ums Leben gekommen.«
»Ein Überfall auf uns? So wie dieser hier?«
»Das weiß ich nicht mehr, wer wen angegriffen hat.«
»Hm. Da braucht ihr euch nicht zu wundern. Seht nach dort!« Er deutete auf eine andere Miralbra , die Miralbra Cix . Dort wurde gerade ein zappelndes Männchen mit dem Hals in der Schlinge an einer Rahe hinaufgezogen. Voy schlug entsetzt die Hände vor den Mund. Auch Tibe musste den Blick abwenden. Es war Flaggschiffkapitän Aiut, der dort langsam gehängt wurde. »Er hat die Verantwortung übernommen. Wir sind bescheiden . Wir glauben daran, dass es genügt, die Anführer zu hassen und zu richten. Und dennoch denke ich immer wieder, dass auch ihr die Kraft hättet, euer Joch abzuschütteln und einfach zu uns zu kommen. In Frieden. Mit erhobenen Händen. Wie auch ich es einst tat.«
Wie auch ich es einst tat? Schlagartig wurde Tibe alles klar. Dieses Lächeln. Sie war nicht nur mit dem Vater dieses Mannes gut befreundet gewesen, sondern sogar mit diesem Mann
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