Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
konnte nicht mehr sprechen. Es war ein Schild. Ein Schildkrötenpanzer.
Einige von den Bescheidenen waren erschreckend gut ausgerüstet, sie trugen Perlmuttklingenschwerter und Schildkrötenpanzerschilde. Die Schwerter sirrten herum, und die Schilde waren so unüberwindlich wie Felsküstenklippen. Koaron eierte seitlich, von vorne rannte ein anderer Mensch mit der Schulter voran in ihn hinein, einer vom stehenden Heer, einer aus Aztrivavez. Koarons Sicht wurde eng und verwackelt. Er versuchte, sich aufrecht zu halten. Er war nun plötzlich so tief drinnen im Getümmel, dass er die Degenrute nicht mehr schwingen konnte. Aber er hielt sie fest, hielt sie fest, als gälte sie sein Leben. Nur Glai hatte er verloren.
»Glai? Glaaaaaaaaaaaaaai!«
Es kam keine Antwort. Alles brüllte und schnaufte und fauchte. Koaron hörte andere Namen. Unter ihnen immer wieder den des verfeindeten Königs. Panéa Eleóde. Er bekam einen Ellenbogen gegen die Wange, dann etwas gegen den Hinterkopf und ins Steißbein, dann eine Männerhand ins Gesicht, die dort wie suchend herumtastete. Koaron stieß einen unzusammenhängenden Ruf aus und schlug mit seiner freien Faust um sich. Leiber drängten so dicht gegen ihn, dass er befürchten musste, seine Rippen würden einwärts brechen. Der Sand unter seinen Füßen war zäh wie Matsch. Wenn er hinfiel, würde er nicht mehr hochkommen und sterben, so viel war ihm klar. Die Menge bewegte sich in Schüben wie ein Wehen pressender Organismus. Sie zog sich zusammen und lockerte sich dann ein wenig, sodass ihre schwächsten Bestandteile Gelegenheit erhielten, im Matsch zu versinken. Der Rest stieß und drängte gegen die anderen.
Koaron sah sich plötzlich selbst, hoch oben in der Luft, den Einhandsegler beherrschend, Koarons Krone abschließend, unbedrängt.
Das war er, dort oben, bejubelt.
Das Gegenteil von ihm jetzt. Eins mit der Masse, im Schieben und Drücken, die eigene Geschicklichkeit nichts mehr wert, weil nicht mehr einsetzbar.
Er war jetzt wie Wennim. Gefangen in einer beengenden Körperumgebung. Oder wie Frentes im Vollrausch oder – hilflos – auf Entzug. Er war von allem das Schlechteste. Er wollte wieder raus aus dieser Menschenpresse. Zumindest Armfreiheit erlangen. Zumindest zurückschlagen können, wenn man ihn schlug oder ihn begrabschte.
Plötzlich war da eine Lücke. Er fand seine alte Agilität wieder, wand sich hinein wie ein Korkenzieher, holte mit dem Arm aus, hielt sich an einem Schildkrötenpanzer fest und zog sich daran weiter. Von links kotzte jemand Blut in sein Sichtfeld, jemand schnitt den Kotzenden gerade von hinten auf. Unter ihm blühte das Gesicht eines Präpositus aufgeplatzt im Matsch. Koaron hatte gar keine Wahl: Auch er musste dieses Gesicht als Trittstein benutzen. Von vorne raste plötzlich ein Mannshoher auf ihn zu, ein Ungetüm aus steinernen Wucherungen, das Menschen krachend von sich rammte wie ein vielfach untergliedertes Brecheisen. Koaron wich aus, indem er sich an eine fremde Frau in Netzstrümpfen presste, und entging den steinernen Pranken dadurch um Haaresbreite. Die Frau kippte nach hinten von ihm weg, sie war eine Verbündete, wenn auch aus einer anderen Kohorte, er wollte sie festhalten, ihr den Matsch ersparen, aber sie entglitt ihm wie ein Fisch, irgendetwas hatte sie bereits ganz glitschig gemacht.
Der Lärm öffnete sich. Ein wenig wie damals bei Wennims Unfall, als das Bersten des Rückgrats so überdeutlich zu hören gewesen war, weil mehr als fünfhundert Menschen plötzlich wie andächtig schwiegen. Koaron hatte unverhoffte Armfreiheit, wahrscheinlich war eine erforderliche Mindestanzahl von Kämpfenden gefallen, sodass die übrigen miteinander Ringenden jetzt Platz fanden zwischen den flachgetrampelten Dünen.
Die Luft schmeckte gleichzeitig süßlich und salzig und sauer. Menschen hasteten vorüber, einander verfolgend, einander innig umbringend. Jemand rannte von hinten wutbrüllend auf Koaron zu. Er entging erneut, ein Perlmuttklingenschwert rauschte über ihn hinweg und traf jemand anderen. Der Angreifer vergaß ihn und gab stattdessen diesem anderen den Rest. Koaron versuchte sich so zu positionieren, dass keine umherschwingenden Klingen aus anderen Zweikämpfen ihn treffen konnten, aber das war gar nicht so einfach, jeder Kampf schien einem nur ihm allein innewohnenden Rhythmus zu gehorchen. Koaron suchte einen Gegner und fand keinen, der allein ihm gehören wollte. Dafür jedoch erblickte er seinen Kapitän, Renech, der
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