Die Dämonen ruhen nicht
kann. Angst und Wut sind zu einem Tyrannen geworden, der Lucy schon seit Jahren beherrscht.
»Es gibt andere, die indirekt daran beteiligt sind. Aber darüber darf ich nicht sprechen. Wirklich nicht«, antwortet Lucy.
Berger weiß nicht, dass Benton noch lebt.
»Ach, scheiße. Was für a ndere?«
»Ich sagte, indirekt. Mehr kann ich dir nicht verraten.«
»Leute, die geheime Anweisungen geben, neigen dazu, sich im Scheinwerferlicht in Luft aufzulösen. Sind das deine anderen? Personen, die dir geheime Anweisungen gegeben haben?«
»Es ging dabei nicht direkt um Rocco.« Sie denkt an Senator Lord und an das Chandonne-Kartell. »Drücken wir es einmal so aus: Es gibt Leute, die Rocco den Tod wünschten. Bis jetzt hatte ich nicht genug Informationen, um etwas in dieser Richtung zu unternehmen. Aus Chandonnes Brief habe ich dann erfahren, was ich wissen musste.«
»Ich verstehe. Und Jean-Baptiste ist glaubwürdig. Natürlich, alle Psychopathen sind das. Die übrigen indirekt Beteiligten sind selbstverständlich längst verschwunden; darauf kannst du dich verlassen.«
»Keine Ahnung. Es gibt Anweisungen, was das Chandonne-Kartell betrifft, und zwar schon seit langer Zeit. Seit Jahren. Als ich in Miami bei der Behörde für Tabak, Alkohol und Feuerwaffen war, habe ich in ihrem Sinn getan, was ich konnte, aber es hat nicht geklappt. Vorschriften.«
»Ja, richtig. Du und deine Vorschriften«, erwidert Berger kühl. »Bis zu der Sache mit Rocco war ich nicht effizient.«
»Tja, das kann man jetzt nicht mehr behaupten. Was meinst du, Lucy, glaubst du, dass du ungeschoren davonkommst?«
»Ja.«
»Du und Rudy, ihr habt Fehler gemacht«, fährt Berger fort. »Du hast deinen Totschläger vergessen und musstest umkehren, um ihn zu holen. Dabei wurdest du von verschiedenen Leuten gesehen. Das ist gar nicht gut. Den Tatort habt ihr sehr fachmännisch und schlau präpariert. Doch vielleicht habt ihr es dabei ja ein wenig übertrieben. Mich persönlich würde es wundern, wenn ein ganzes Zimmer, eine Pistole, eine Champagnerflasche und alles andere so sauber sind, dass nur Roccos Fingerabdrücke zu finden sind. Auch die fortgeschrittene Verwesung, die scheinbar dem Todeszeitpunkt widerspricht, würde mir zu denken geben. Und die Fliegen, die vielen, vielen Fliegen. Schmeißfliegen sind nicht unbedingt Freunde von kühlem Wetter.«
»In Europa sind sie an niedrige Temperaturen bis zu zehn Grad gewöhnt. Das gilt jedenfalls für die gemeine Blaue Schmeißfliege. Natürlich mögen sie Wärme lieber.«
»Das musst du von deiner Tante Kay gelernt haben. Sie wäre stolz auf dich.«»Du würdest dich also wundern.« Lucy kommt wieder auf die Präparierung des Hotelzimmers zurück. »Aber das tust du eigentlich immer. Das liegt dir im Blut.«
»Unterschätz die polnischen Behörden und Gerichtsmediziner nicht, Lucy. Vielleicht ist die Sache noch nicht ausgestanden, und falls etwas den Verdacht auf dich lenkt, kann ich dir nicht helfen. Dieses Gespräch fällt für mich unter das Anwaltsgeheimnis. Jetzt, in diesem Augenblick, bin ich deine Anwältin und keine Staatsanwältin. Das ist zwar eine Lüge, aber ich werde irgendwie damit leben.
Allerdings werden die Leute, die dir vor wie langer Zeit auch immer Anweisungen gegeben haben, deine konspirativen Anrufe jetzt nicht mehr entgegennehmen. Sie werden nicht einmal länger deinen Namen kennen. In einer Kabinettssitzung oder bei ein paar Drinks im Palm werden sie die Stirn runzeln, die Achseln zucken oder, was noch schlimmer ist, die Geschichte einer übereifrigen Privatdetektivin mit einem Lachen abtun.«
»So weit wird es nicht kommen.«
Berger dreht sich langsam um und umfasst Lucys Handgelenke. »Bist du so gottverdammt überheblich oder einfach nur blöd? Wie kann eine so kluge Frau gleichzeitig so dumm sein?«
Lucy schießt das Blut in die Wangen.
»Die Welt wimmelt von Leuten, die andere benutzen und sie im Namen der Freiheit und Gerechtigkeit zu unglaublichen Handlungen verleiten. Und dann lösen sie sich in Luft auf. Entpuppen sich als Fiktion. Und während du in einem Bundesgefängnis vergammelst oder - Gott behüte - an ein fremdes Land ausgeliefert wirst, fragst du dich, ob es sie je gegeben hat. Irgendwann glaubst du dann selbst, dass es nur eine Wahnvorstellung war, weil deine gesamte Umwelt dich für verrückt hält, für eine Spinnerin, die einen Mord begangen hat, weil sie sich auf einer geheimen Mission für die CIA, das FBI, das gottverdammte Pentagon, den
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