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Die Dämonen ruhen nicht

Die Dämonen ruhen nicht

Titel: Die Dämonen ruhen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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verantwortlich. Dieser Fahndungsaufruf war der Grund, warum Rocco sein Leben für beendet hielt, ganz gleich, ob er nun gestand oder nicht. Er wurde polizeilich gesucht, und wenn Lucy und Rudy nicht seinen Tod herbeigeführt hätten, wäre er von den Chandonnes erledigt worden. Sein Tod war richtig. Sein Tod war notwendig. Lucy sagt sich, dass es der Welt jetzt besser geht, weil Rocco nicht mehr lebt.
    »Wer hat mir den verdammten Brief geschrieben?«, fragt sie. »Und den an Marino und den an dich?« Sie sieht Scarpetta an. »Die Briefe, die in den von der National Academy of Justice frankierten Umschlägen kamen, klingen, als stammten sie von Chandonne.«
    »Da stimme ich dir zu«, erwidert Scarpetta. »Der Leichenbeschauer von Baton Rouge hat übrigens auch einen gekriegt.«
    »Vielleicht hat Chandonne bei diesem hier seine Handschrift verändert und anderes Papier genommen.« Lucy weist auf den Brief mit der schön geschwungenen Schrift. »Möglicherweise ist das Schwein ja gar nicht im Gefängnis.«
    »Ich habe von den Anrufen in deinem Büro erfahren. Zach hat mich auf dem Mobiltelefon erreicht. Ich denke, wir können davon ausgehen, dass Chandonne noch im Knast sitzt«, antwortet Scarpetta.
    »Allerdings nehme ich an«, wendet Berger ein, »dass er im Gefängnis weder Zugriff auf liniertes Papier noch auf Umschläge der National Academy of Justice hat. Wie schwierig, glaubt ihr, ist es, mit dem Computer Fälschungen dieser vorfrankierten Umschläge anzufertigen?«
    »Mein Gott, bin ich dämlich«, ruft Lucy aus. »Ich kann euch gar nicht sagen, wie dumm ich mich fühle. Natürlich funktioniert das ohne weiteres. Man braucht nur einen Umschlag einzuscannen, die gewünschte Adresse einzutippen und das Ganze auf einem ähnlichen Umschlag auszudrucken. Das würde ich in ein paar Minuten hinkriegen.«
    Berger mustert sie forschend. »Hast du das getan, Lucy?«
    Scarpettas Nichte ist perplex. »Ich? Warum sollte ich?«
    »Du hast gerade zugegeben, dass du es könntest«, erwidert Berger ernst. »Es macht ganz den Eindruck, als ob du zu ziemlich vielem fähig wärst, Lucy. Und es passt doch recht gut, dass du wegen der Informationen aus diesem Brief nach Polen gefahren bist, um Rocco zu finden, der nun tot ist. Ich verlasse jetzt den Raum. Die Staatsanwältin in mir will keine weiteren Lügen oder Geständnisse hören. Wenn du und deine Tante euch noch ein bisschen unterhalten wollt, tut euch keinen Zwang an. Ich muss das Telefon wieder einhängen und einige Anrufe erledigen.«
    »Ich habe nicht gelogen«, entgegnet Lucy.

84
    »Setz dich«, sagt Scarpetta, als wäre ihre Nichte nicht länger erwachsen.
    Die Wohnzimmerbeleuchtung ist abgeschaltet. Die Silhouette von New York ringsherum verheißt strahlende Möglichkeiten und zeugt von der Macht, nach den Sternen zu greifen. Scarpetta könnte sich diesem Anblick stundenlang hingeben, ebenso wie dem des Meeres. Lucy sitzt neben ihr auf Bergers Sofa.
    »Ich mag diese Stadt«, meint Scarpetta und blickt hinaus auf die Millionen von Lichtern.
    Sie hält Ausschau nach dem Mond, aber andere Gebäude versperren ihr die Sicht. Ihre Nichte weint leise.
    »Ich habe mich oft gefragt, Lucy, was wohl geschehen wäre, wenn du mich als leibliche Mutter gehabt hättest. Hättest du dich dann auch für ein so gefährliches Leben entschieden und wärst mit so viel Kühnheit, Unbekümmertheit und Mut hindurchgestürmt? Oder wärst du jetzt verheiratet und hättest Kinder?«
    »Ich glaube, die Antwort kennst du«, murmelt Lucy und wischt sich die Augen ab.
    »Vielleicht hättest du ja ein Stipendium bekommen und wärst nach Oxford gegangen und eine berühmte Dichterin geworden.«
    Lucy blickt sie an, um festzustellen, ob das ein Scherz war. Es war keiner.
    »Ein ruhigeres Leben«, fährt ihre Tante leise fort. »Ich habe dich großgezogen. Oder, besser gesagt, ich habe mich um dich gekümmert, so gut ich konnte, und ich kann mir bis heute nicht vorstellen, dass es möglich ist, ein Kind mehr zu lieben, als ich dich geliebt habe und immer noch liebe. Aber durch meine Augen bist du auf das Hässliche in der Welt aufmerksam geworden.«»Durch deine Augen habe ich Anstand, Menschlichkeit und Gerechtigkeit entdeckt«, erwidert Lucy. »Ich möchte nichts ungeschehen machen.«
    »Warum weinst du dann?« Scarpetta bemerkt in der Ferne Flugzeuge, die wie kleine Planeten leuchten.
    »Ich weiß nicht.«
    Scarpetta lächelt. »Das hast du als kleines Mädchen auch immer gesagt. Jedes Mal, wenn du

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