Die Dämonen ruhen nicht
und Rudy Musil, ihr Partner bei der Abteilung Geiselbefreiung, im »Reifenhaus« der FBI Academy 9-Millimeter-Patronen verschossen. Wie der Name sagt, war dieser hochgefährliche Schießstand mit alten Reifen voll gestellt, zwischen die die Agents beim Trainieren ihrer blitzschnellen Manöver springen, sich ducken, fliehen und in Deckung gehen konnten. Schwer atmend und schwitzend kauerte Rudy hinter einem Reifenhaufen und schob ein neues Magazin in seine Glock. Dann spähte er um den abgefahrenen
Michelinpneu herum und hielt Ausschau nach Lucy, seiner Partnerin.
»Gut. Jetzt aber mal raus mit der Sprache«, rief er durch den Pulverdampf. »Was hast du für sexuelle Vorlieben?«
»Ich hab’s gern so oft wie möglich!« Lucy lud nach und ließ den Schieber einrasten, rollte sich zwischen zwei Reifenstapel und gab eine Salve auf eine hochklappende Zielscheibe in zehn Metern Entfernung ab. Die Kopfschüsse schlugen so dicht nebeneinander ein, dass sie aussahen wie eine kleine Blume.
»Ach, wirklich?« Zwei Kugeln trafen mit lautem Scheppern einen Pappkameraden, der eine Maschinenpistole in der Hand hielt. »Ich und die Jungs haben nämlich gewettet.« Rudys Stimme näherte sich, als er bäuchlings über den schmutzigen Boden robbte. Er sprang durch Türme schmieriger Reifen und packte die ahnungslose Lucy an ihren mit Stahl verstärkten Red-Wing-Stiefeln. »Erwischt!« Lachend legte er seine Pistole auf einen Reifen.
»Spinnst du, du Arschloch?« Lucy entfernte eine Patrone aus ihrer Pistole; die ausgeworfene Hülse hüpfte über den Boden. »Wir ballern hier mit scharfer Munition rum, du Vollidiot.«
»Lass mich das Ding mal sehen«, sagte Rudy ernst. »Es klingt so komisch.«
Er griff nach ihrer Pistole und nahm das Magazin heraus. »Lockere Feder.« Nachdem er die Pistole geschüttelt hatte, legte er sie neben seine auf den Reifen. »Okay. Regel Nummer eins: Lass dir nie die Waffe abluchsen.«
Er warf sich auf sie und rang lachend mit ihr. Aus irgendeinem Grund glaubte er, dass sie nur darauf gewartet hatte und erregt war und es nicht so meinte, als sie »Runter von mir, Arschloch!« brüllte.
Schließlich hielt er ihr mit seiner kräftigen Hand beide Handgelenke fest. Mit der anderen fuhr er unter ihr Hemd und stieß ihr die Zunge in den Mund, während er ihren BH hochschob. »Die Jungs behaupten nur«, keuchte er, »dass du eine Lesbe bist, weil« - er fummelte an ihrer Gürtelschließe herum -, »weil sie dich nicht haben können ...«
Lucy biss ihm die Unterlippe durch und rammte ihre Stirn kräftig gegen sein Nasenbein. Den Rest des Tages verbrachte Rudy in der Notaufnahme.
Die FBI-Anwälte erläuterten ihr, dass eine Anzeige niemandem etwas nützen würde, insbesondere deshalb, weil Rudy geglaubt habe, dass sie »es wollte«, und zwar mit gutem Grund. Schließlich habe Lucy ihm geantwortet, sie wolle es »so oft wie möglich« - wie er in den Formularen, die er wegen der internen Untersuchung ausfüllen musste, widerstrebend angegeben hatte.
»Das ist richtig«, antwortete Lucy ruhig, als sie unter Eid vor einem Tribunal aus fünf Anwälten aussagen musste, von denen kein einziger ihre Interessen vertrat. »Das habe ich gesagt. Allerdings nicht, dass ich es mit ihm wollte. Oder sonst mit irgendjemandem hier und jetzt, mitten im Kugelhagel, mitten im Reifenhaus, mitten in einem Manöver und mitten in meiner Periode.«
»Aber Sie haben ihn schon in der Vergangenheit zu verführen versucht. Sie haben Agent Musil Grund zu der Annahme gegeben, Sie fühlten sich zu ihm hingezogen.«
»Welchen Grund?« Auch unter Eid konnte Lucy ihr Erstaunen nicht verhehlen. »Ich habe ihm hin und wieder einen Kaugummi angeboten, ihm beim Waffenreinigen geholfen, zusammen mit ihm die Yellow Brick Road und andere Hindernisparcours überwunden und mit ihm rumgealbert. Meinen Sie das?«
»Das war doch ein ziemlich enges Verhältnis«, pflichteten die Anwälte einander bei.
»Er ist mein Partner. Und Partner sollten einander nahe stehen.«
»Dennoch scheinen Sie Agent Musil recht viel Zeit undAufmerksamkeit gewidmet zu haben. Außerdem haben Sie persönliches Interesse an ihm gezeigt, sich nach seinen Wochenenden und Urlauben erkundigt und ihn zu Hause angerufen, wenn er krank war. Das Herumalbern, wie Sie es nennen, konnte er möglicherweise als Flirten deuten. Manche Leute albern beim Flirten herum.«
Die Anwälte waren sich einig. Und das Schlimmste daran war, dass es sich bei zwei von ihnen um Frauen handelte - um
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