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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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viele Feinde habe oder in seiner Familie auf Hindernisse stoße oder aus ähnlichen Gründen. Es wurde dort viel darüber gelacht. Die Sache endete damit, daß Nikolai Wsewolodowitsch, als er damals hierher reisen mußte, vorher für ihren Unterhalt sorgte, und zwar in der Weise, daß er ihr eine ziemlich beträchtliche jährliche Pension aussetzte, mindestens dreihundert Rubel, wenn nicht mehr. Kurz, wir können annehmen, daß das alles von seiner Seite ein mutwilliges Spiel war, die Laune eines vor der Zeit müde Gewordenen, oder auch schließlich, wie Kirillow sagte, eine neue psychologische Studie eines Übersättigten, um zu sehen, wie weit man einen geistesgestörten Krüppel treiben kann. ›Sie haben sich‹, sagte Kirillow, ›absichtlich das elendeste Wesen ausgesucht, ein verkrüppeltes Wesen, das lebenslänglich nur Schande und Schläge kennen gelernt hat, und von dem Sie obendrein wissen, daß es in komischer Weise in Sie verliebt ist; und nun machen Sie sich absichtlich daran, dieses Mädchen zu betrügen, lediglich um zu sehen, was dabei herauskommt!‹ Schließlich: trifft denn einen Mann wirklich ein so besonderer Vorwurf, wenn eine geistesgestörte Frauensperson, mit der er, wohlgemerkt, die ganze Zeit über kaum ein paar Worte gewechselt hatte, auf phantastische Ideen gerät? Es gibt Dinge, Warwara Petrowna, über die man nicht verständig sprechen kann, ja, über die überhaupt zu reden unverständig ist. Nun, mag es schließlich auch eine wunderliche Laune gewesen sein; aber einen stärkeren Ausdruck kann man jedenfalls nicht dafür anwenden; und trotzdem hat man jetzt eine Skandalgeschichte daraus gemacht ... Es ist mir zum Teil bekannt, Warwara Petrowna, was hier vorgeht.«
    Der Erzähler brach plötzlich ab und wollte sich an Lebjadkin wenden; aber Warwara Petrowna hielt ihn davon zurück; sie befand sich in einer hochgradigen Erregung.
    »Sind Sie zu Ende?« fragte sie.
    »Nein, noch nicht; um der Vollständigkeit wegen muß ich, wenn Sie erlauben, diesen Herrn hier über etwas befragen ... Sie werden sofort sehen, um was es sich handelt, Warwara Petrowna.«
    »Genug davon; lassen Sie das bis nachher; warten Sie einen Augenblick; ich bitte Sie. O wie gut habe ich daran getan, daß ich Sie reden ließ!«
    »Und bitte, beachten Sie das wohl, Warwara Petrowna,« rief Peter Stepanowitsch erregt: »Konnte etwa Nikolai Wsewolodowitsch Ihnen dies alles selbst vorhin auseinandersetzen, als Antwort auf Ihre Frage, die vielleicht etwas zu schroff war?«
    »Ja, das war sie!«
    »Und hatte ich nicht recht, wenn ich sagte, daß es in manchen Fällen für einen dritten weit leichter ist, eine Erklärung zu geben, als für den Beteiligten selbst?«
    »Ja, ja! ... Aber in einem Punkte haben Sie sich geirrt und irren sich, wie ich zu meinem Bedauern sehe, auch noch.«
    »Wirklich? Worin denn?«
    »Sehen Sie ... Aber wollen Sie sich denn nicht setzen, Peter Stepanowitsch?«
    »Oh, wie es Ihnen beliebt; ich bin allerdings müde; ich danke Ihnen.«
    Im Nu hatte er einen Lehnstuhl herbeigezogen und so gedreht, daß er zwischen Warwara Petrowna auf der einen Seite und Praskowja Iwanowna am Tische auf der andern Seite saß und Herrn Lebjadkin sich gegenüber hatte, von dem er seine Augen auch nicht einen Augenblick wegwandte.
    »Sie irren sich darin, daß Sie dies eine wunderliche Laune nennen ...«
    »Oh, wenn es nur das ist ...«
    »Nein, nein, nein, warten Sie!« hielt ihn Warwara Petrowna zurück, die sich offenbar zu einer längeren, affektvollen Äußerung anschickte.
    Sobald Peter Stepanowitsch dies bemerkte, war er sofort ganz Ohr.
    »Nein, das war etwas Höheres als eine wunderliche Laune, und ich versichere Sie, sogar etwas Heiliges! Er ist ein stolzer, in früher Jugend gekränkter Mensch, der schließlich dahin gelangt ist, jenes ›spöttische Leben‹ zu führen, von dem Sie so treffend gesprochen haben; kurz, er ist ein Prinz Harry, mit dem ihn damals Stepan Trofimowitsch so prächtig verglich; und das würde vollständig richtig sein, wenn er nicht noch mehr Ähnlichkeit mit Hamlet hätte, wenigstens meiner Ansicht nach.«
    »Et vous avez raison,«
rief Stepan Trofimowitsch gefühlvoll und nachdrücklich.
    »Ich danke Ihnen, Stepan Trofimowitsch, und danke Ihnen ganz besonders dafür, daß Sie nie den Glauben an Nikolai, den Glauben an seine Seelengröße und an seinen hohen Beruf verloren haben. Diesen Glauben haben Sie auch bei mir gekräftigt, als ich kleinmütig geworden war.«
    »Chère, chère

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