Die Dämonen
...«
Stepan Trofimowitsch wollte schon vortreten; aber er bedachte, daß es gefährlich sei, sie zu unterbrechen, und blieb auf seinem Platze.
»Und wenn Nikolai immer« (Warwara Petrowna war bereits in einen etwas singenden Ton geraten) »einen stillen, in seiner Ruhe großen Horatio um sich gehabt hätte (ein anderer schöner Ausdruck von Ihnen, Stepan Trofimowitsch), dann wäre er vielleicht schon längst von dem traurigen ›Dämon der Ironie‹, der ihn sein ganzes Leben lang gepeinigt hat, befreit. (Der Dämon der Ironie, das ist wieder ein wundervoller Ausdruck von Ihnen, Stepan Trofimowitsch.) Aber Nikolai hat nie weder einen Horatio noch eine Ophelia gehabt. Er hatte nur seine Mutter; aber was kann eine Mutter allein tun, und in solchen Umständen? Wissen Sie, Peter Stepanowitsch, es ist mir sogar außerordentlich verständlich, daß ein Mensch wie Nikolai es fertiggebracht hat, sich in jenen schmutzigen Spelunken zu zeigen, von denen Sie erzählt haben. Ich stelle mir jetzt mit völliger Klarheit dieses ›spöttische Leben‹ vor (ein erstaunlich treffender Ausdruck von Ihnen!), diesen unersättlichen Durst nach dem Kontraste, diesem dunklen Hintergrund des Bildes, von dem er sich wie ein Brillant abhebt; wieder ein Vergleich von Ihnen, Peter Stepanowitsch. Und da trifft er nun ein von allen Menschen gequältes, verkrüppeltes, halbirres Wesen, das gleichzeitig vielleicht von den edelsten Gefühlen erfüllt ist! ...«
»Hm ... Ja, nehmen wir das an!«
»Und unter diesen Umständen ist es Ihnen nicht begreiflich, daß er über dieses Mädchen nicht lacht wie alle andern? O ihr Menschen! Habt ihr denn kein Verständnis dafür, daß er sie gegen ihre Beleidiger verteidigt, ihr ›wie einer Marquise‹ Achtung erweist (dieser Kirillow muß eine ungewöhnlich tiefe Menschenkenntnis besitzen, wiewohl auch er Nikolai nicht verstanden hat). Möglicherweise ist das Unglück gerade infolge dieses Kontrastes entstanden; hätte die Unglückliche in anderen Verhältnissen gelebt, so wäre sie vielleicht nicht zu solchen wahnwitzigen Phantasien gelangt. Nur eine Frau, nur eine Frau kann das verstehen, Peter Stepanowitsch, und wie schade, daß Sie ... das heißt nicht, daß Sie keine Frau sind, sondern daß Sie es nicht wenigstens für dieses Mal sind, um die Sache verstehen zu können!«
»Also in dem Sinne, wie man sagt: je schlimmer, um so besser; ich verstehe, ich verstehe, Warwara Petrowna. Das ist ungefähr so wie in der Religion: je schlechter es einem Menschen geht, oder je geplagter und ärmer ein Volk ist, um so hartnäckiger träumen sie von den Belohnungen im Paradiese; und wenn dabei noch hunderttausend Geistliche eifrig tätig sind, die diese phantastischen Hoffnungen anfachen und auf sie ihre Spekulationen gründen, dann ... ich verstehe Sie, Warwara Petrowna; seien Sie unbesorgt!«
»Ganz allerdings doch wohl nicht; aber sagen Sie: sollte Nikolai wirklich, um diese phantastische Idee in diesem unglücklichen Organismus zu vernichten« (warum Warwara Petrowna hier das Wort »Organismus« gebrauchte, war mir nicht verständlich), »sollte er wirklich auch seinerseits über sie lachen und mit ihr so umgehen, wie es jene gemeinen Gesellen taten? Verwerfen Sie wirklich jenes hohe Mitleid, jenes edle Zittern des ganzen Organismus, mit welchem Nikolai Herrn Kirillow ernst zur Antwort gab: ›Ich lache nicht über sie‹? Eine edle, eine heilige Antwort!«
»Sublime!«
murmelte Stepan Trofimowitsch.
»Und beachten Sie auch dies: er ist keineswegs so reich, wie Sie meinen; ich bin reich, nicht er, und er erhielt damals von mir fast gar nichts.«
»Ich verstehe, ich verstehe das alles, Warwara Petrowna,« versetzte Peter Stepanowitsch, der sich bereits etwas ungeduldig auf seinem Stuhle hin und her bewegte.
»Oh, das ist mein eigener Charakter! Ich erkenne mich selbst in Nikolai wieder. Ich erkenne diese Jugendlichkeit wieder, diese Neigung zu stürmischen, heftigen Ausbrüchen ... Und wenn wir beide einander einmal näher treten sollten, Peter Stepanowitsch, was ich meinerseits aufrichtig wünsche, um so mehr, da ich Ihnen bereits zu Dank verpflichtet bin, dann werden Sie vielleicht den Drang begreifen ...«
»Oh, glauben Sie mir, ich wünsche es auch meinerseits,« murmelte Peter Stepanowitsch kurz.
»Sie werden dann den Drang begreifen, vermöge dessen man in der Blindheit des Edelmutes auf einmal nach einem Menschen greift, der unser in keiner Beziehung wert ist, nach einem Menschen, der uns
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