Die Dämonen
›Sünden in der Schweiz‹. ›Ich heirate‹, schreibt er, ›wegen gewisser Sünden‹ oder ›um fremder Sünden willen‹, oder wie es sonst heißt; kurz: ›Sünden‹ kommen ein paarmal vor. ›Das Mädchen‹, sagt er, ›ist eine Perle, ein Diamant‹; na, und natürlich ist er ›ihrer unwürdig‹ – das ist so sein Stil; aber wegen gewisser dortiger Sünden und Umstände sei er ›genötigt zu heiraten und nach der Schweiz zu fahren‹; darum ›laß alles stehn und liegen und eile herbei, um mich zu retten!‹ Verstehen Sie davon etwas? Übrigens ... übrigens sehe ich an dem Ausdruck der Gesichter« (er drehte sich mit dem Briefe in der Hand herum und betrachtete mit unschuldigem Lächeln alle Gesichter), »daß ich nach meiner Gewohnheit wohl wieder irgendeinen Bock geschossen habe, infolge meiner dummen Offenherzigkeit oder, wie Nikolai Wsewolodowitsch es nennt, Übereilung. Aber ich dachte, wir wären hier lauter gute Freunde, das heißt, es wären alles deine guten Freunde, Stepan Trofimowitsch, deine guten Freunde; denn ich bin tatsächlich ein Fremder und sehe ... und sehe, daß alle etwas wissen und gerade ich nichts weiß.«
Er fuhr fort, seinen Blick umhergehen zu lassen.
»Hat Ihnen Stepan Trofimowitsch das geschrieben, daß er fremde, in der Schweiz begangene Sünden heirate, und daß Sie hereilen möchten, um ihn zu retten, mit diesen selben Ausdrücken?« fragte auf einmal Warwara Petrowna, die herangetreten war. Sie sah ganz gelb aus; ihre Gesichtszüge hatten sich verzerrt; ihre Lippen zuckten.
»Daß heißt ... sehen Sie ... wenn ich da etwas nicht verstanden habe,« erwiderte Peter Stepanowitsch anscheinend sehr erschrocken und noch hastiger als zuvor, »so ist natürlich er daran schuld, weil er so schreibt. Da ist der Brief. Wissen Sie, Warwara Petrowna, er hat mir endlos lange Briefe geschrieben, und ohne Aufhören, in den letzten zwei, drei Monaten immer Brief auf Brief, und ich muß gestehen, ich habe sie zuletzt manchmal nicht bis zu Ende durchgelesen. Nimm mir mein dummes Bekenntnis nicht übel, Stepan Trofimowitsch; aber du mußt ja selbst zugeben, daß du die Briefe zwar an mich adressiert, aber doch mehr für die Nachwelt geschrieben hast; also kann es dir ja ganz gleich sein, ob ich sie vollständig gelesen habe ... Nun, nun, sei nicht böse: du und ich, wir sind ja doch gute Freunde! Aber diesen Brief, Warwara Petrowna, diesen Brief habe ich bis zu Ende gelesen. Diese ›Sünden‹, diese ›fremden Sünden‹, das sind gewiß irgendwelche kleinen Sünden, die wir selbst begangen haben, und ich möchte darauf wetten: Sünden allerunschuldigster Art; aber wir haben auf einmal den Einfall gehabt, daraus eine furchtbare Geschichte mit hochedlem Anstrich zu machen; und eben wegen des hochedlen Anstrichs haben wir diesen Einfall auch ausgeführt. Und hier (bitte, sehen Sie!) will bei uns im Rechnungswesen etwas nicht stimmen; das müssen wir schließlich eingestehen. Wissen Sie, wir haben so eine kleine Passion für das Kartenspiel ... aber was ich da sage, ist ungehörig, ganz ungehörig; Pardon; ich bin zu schwatzhaft; aber weiß Gott, Warwara Petrowna, er hat mir einen Schreck eingejagt, und ich habe mich wirklich darauf vorbereitet, ihn nach Kräften zu ›retten‹. Schließlich schäme ich mich auch selbst. Wie? Setze ich ihm denn etwa das Messer an die Kehle? Bin ich denn ein unerbittlicher Gläubiger? Er schreibt hier etwas von einer Mitgift ... Übrigens, wirst du dich denn nun wirklich verheiraten, Stepan Trofimowitsch? Die Sache wird ja wohl zustande kommen; wir machen ja hier viel Gerede, aber doch mehr wegen der Ausdrucksweise ... Ach, Warwara Petrowna, ich fürchte, daß Sie mir jetzt zürnen, und namentlich wegen dessen, was ich über die Ausdrucksweise gesagt habe ...«
»Im Gegenteil, im Gegenteil; ich sehe, daß Sie die Geduld verloren haben; und gewiß haben Sie dazu Ihre Gründe gehabt,« erwiderte Warwara Petrowna boshaft.
Sie hatte mit boshaftem Genusse das ganze »wahrheitsgemäße« Wortgeriesel Peter Stepanowitschs angehört, der offenbar eine Rolle spielte (was für eine, das wußte ich damals nicht; aber daß es eine Rolle war, unterlag keinem Zweifel; er spielte sie sogar ziemlich plump).
»Im Gegenteil,« fuhr sie fort, »ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, daß Sie gesprochen haben; ohne Sie hätte ich das alles nicht erfahren. Zum erstenmal seit zwanzig Jahren öffne ich die Augen. Nikolai Wsewolodowitsch, Sie sagten vorhin, auch Sie seien
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