Die Dämonen
Sie sich diese Mühe gemacht?«
»Jawohl, ich. Schon gestern, und ich habe getan, was ich konnte, um Ehre einzulegen ... Marja Timofejewna kümmert sich, wie Sie selbst wissen, um solche Dinge nicht. Aber die Hauptsache ist, daß es von Ihrer freigebigen Spende beschafft worden ist; es ist Ihr Eigentum, so daß Sie hier der Wirt sind und nicht ich; ich bin sozusagen nur Ihr Verwalter; aber dennoch, Nikolai Wsewolodowitsch, bin ich, was meinen Geist anlangt, unabhängig! Nehmen Sie mir nicht dieses Letzte, was ich habe!« schloß er gerührt.
»Hm! ... Wollen Sie sich nicht wieder hinsetzen?«
»Ich bin dankbar, ja dankbar, und unabhängig!« (Er setzte sich). »Ach, Nikolai Wsewolodowitsch, in diesem Herzen kochte so viel, daß ich Ihre Ankunft gar nicht erwarten konnte! Entscheiden Sie jetzt mein Schicksal und ... und das jener Unglücklichen; und dann ... dann werde ich Ihnen, wie oftmals früher, in alten Zeiten, mein ganzes Herz ausschütten, wie vor vier Jahren. Sie erwiesen mir damals die Ehre, mich anzuhören, und lasen meine Verse ... Mochten Sie mich damals auch Ihren Falstaff aus dem Shakespeare nennen; aber Sie haben in meinem Schicksal eine so bedeutende Rolle gespielt! ... Ich lebe jetzt in großer Angst, und Sie sind der einzige, von dem ich Rat und Belehrung erwarte. Peter Stepanowitsch geht schrecklich mit mir um!«
Nikolai Wsewolodowitsch hörte mit lebhaftem Interesse zu und blickte ihn aufmerksam an. Offenbar befand sich der Hauptmann Lebjadkin, obwohl er aufgehört hatte zu trinken, doch bei weitem nicht in einem harmonischen Gemütszustande. Bei solchen langjährigen Trinkern setzt sich zuletzt für immer eine gewisse Verworrenheit, Benommenheit, Verdrehtheit fest, obwohl sie es übrigens nötigenfalls fast ebenso gut wie andere Leute fertigbringen, jemanden hinters Licht zu führen, zu betrügen und zu begaunern.
»Ich sehe, daß Sie sich in diesen mehr als vier Jahren gar nicht verändert haben, Hauptmann,« sagte Nikolai Wsewolodowitsch etwas freundlicher. »Man sieht allerdings, daß die ganze zweite Hälfte des menschlichen Lebens sich gewöhnlich nur aus den Gewohnheiten zusammensetzt, die sich in der ersten Hälfte angesammelt haben.«
»Das sind goldene Worte! Sie lösen da das Rätsel des Lebens!« rief der Hauptmann, halb aus Schlauheit, zur Hälfte aber auch in wirklichem, ungekünsteltem Entzücken, da er ein großer Freund pointierter Ausdrücke war. »Von allen Ihren Aussprüchen, Nikolai Wsewolodowitsch, erinnere ich mich ganz besonders an einen, den Sie taten, als Sie noch in Petersburg waren: ›Man muß wirklich ein großer Mensch sein, um auch gegen den gesunden Menschenverstand ankämpfen zu können.‹ So war es!«
»Nun, ich hätte ebenso gut auch sagen können: ›ein Dummkopf‹.«
»Nun ja, meinetwegen auch ein Dummkopf; aber Sie haben Ihr ganzes Leben lang mit scharfsinnigen Bemerkungen um sich gestreut; und diese Menschen? Da soll mal Liputin, da soll mal Peter Stepanowitsch einen ähnlichen Ausspruch tun! Oh, wie grausam ist Peter Stepanowitsch mit mir umgegangen!«
»Aber Sie, Hauptmann, wie haben Sie selbst sich denn aufgeführt?«
»Ich habe der Trunksucht gefrönt, und dazu hatte ich eine Unmenge von Feinden! Aber jetzt liegt das alles, alles hinter mir, und ich häute mich wie eine Schlange. Nikolai Wsewolodowitsch, wissen Sie wohl, daß ich mein Testament mache, und daß ich es schon aufgesetzt habe?«
»Das ist ja interessant. Was hinterlassen Sie denn, und wem hinterlassen Sie es?«
»Dem Vaterlande, der Menschheit und den Studenten. Nikolai Wsewolodowitsch, ich habe in den Zeitungen die Lebensbeschreibung eines Amerikaners gelesen. Er hinterließ sein ganzes kolossales Vermögen den Fabriken und den positiven Wissenschaften, sein Skelett den Studenten einer dortigen Universität, und mit seiner Haut sollte eine Trommel bezogen und auf dieser Tag und Nacht die amerikanische Nationalhymne getrommelt werden. Aber wir sind leider Pygmäen im Vergleich mit dem hohen Gedankenfluge der nordamerikanischen Staaten. Rußland ist ein Spiel der Natur, aber nicht des Verstandes. Wenn ich versuchen wollte, meine Haut beispielsweise dem Akmolinschen Infanterieregimente, bei welchem ich die Ehre hatte meine militärische Laufbahn zu beginnen, zu einer Trommel zu hinterlassen, unter der Bedingung, daß täglich darauf vor dem Regimente die Nationalhymne getrommelt werde, so würde man das für Liberalismus halten und eine solche Benutzung meiner Haut inhibieren;
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