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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Hauptmann sogar ein Schauer über den Rücken lief. »Hören Sie mal, sagen Sie die Wahrheit, Lebjadkin: haben Sie eine Denunziation eingereicht oder noch nicht? Haben Sie wirklich schon etwas getan? Haben Sie vielleicht in Ihrer Dummheit einen Brief abgeschickt?«
    »Nein, ich habe noch nichts getan, und ... ich habe auch gar nicht daran gedacht,« erwiderte der Hauptmann, starr vor sich hinblickend.
    »Nun, daß Sie nicht daran gedacht hätten, das lügen Sie. Deswegen erbaten Sie sich ja auch das Reisegeld nach Petersburg. Wenn Sie nicht geschrieben haben, haben Sie nicht hier zu jemand so etwas geschwatzt? Sagen Sie die Wahrheit; ich habe etwas gehört.«
    »In betrunkenem Zustande, zu Liputin. Liputin ist ein Verräter. Ich habe ihm mein Herz ausgeschüttet,« flüsterte der arme Hauptmann.
    »Ach was, Herz! Man darf kein Dummkopf sein. Wenn Sie einen solchen Gedanken hatten, so mußten Sie ihn für sich behalten; heutzutage schweigen verständige Menschen und plaudern nicht.«
    »Nikolai Wsewolodowitsch,« begann der Hauptmann zitternd; »Sie selbst sind ja an nichts beteiligt gewesen; gegen Sie kann ich ja nichts ...«
    »Ihre Melkkuh würden Sie ja natürlich nicht zu denunzieren wagen.«
    »Nikolai Wsewolodowitsch, urteilen Sie selbst, urteilen Sie selbst! ...«
    Und nun erzählte der Hauptmann in heller Verzweiflung und unter Tränen hastig, wie es ihm in den ganzen letzten vier Jahren ergangen war. Es war die alberne Geschichte eines Dummkopfes, der sich in eine Sache, die nicht für ihn paßte, eingelassen und infolge seiner Trunksucht und seines Bummellebens den Ernst derselben bis zum letzten Augenblicke kaum begriffen hatte. Er erzählte, er habe sich schon in Petersburg anfangs einfach aus Freundschaft, wie ein richtiger Student, obwohl er kein Student gewesen sei, hinreißen lassen und, ohne etwas davon zu verstehen, »in aller Unschuld« allerlei Papiere auf den Treppen ausgestreut, dutzendweis an den Türen und Klingeln hinterlassen, statt der Zeitungen hindurchgeschoben, ins Theater mitgenommen, dort in die Hüte hineingetan und den Leuten in die Taschen gesteckt. Dann habe er auch angefangen, Geld von ihnen anzunehmen; »denn mit meinen Mitteln war es gar zu kläglich bestellt!« In zwei Gouvernements habe er in den einzelnen Kreisen »allen möglichen Schund« verbreitet.
    »Oh, Nikolai Wsewolodowitsch!« rief er aus. »Am meisten war ich darüber empört, daß dies den bürgerlichen Gesetzen und namentlich den vaterländischen Gesetzen durchaus zuwiderlief! Da stand auf diesen Blättern plötzlich gedruckt, die Bauern sollten mit Heugabeln ausziehen und nicht vergessen, daß, wer am Morgen arm ausziehe, am Abend als reicher Mann nach Hause zurückkehren könne, – nun denken Sie einmal an! Ich selbst zitterte dabei, aber ich verbreitete die Blätter. Oder es waren da auf einmal fünf, sechs Zeilen an ganz Rußland, in denen es ohne Weiteres hieß: ›Schließt schnell die Kirchen, schafft Gott ab, hebt die Ehen auf, vernichtet das Erbrecht, ergreift die Messer!‹ und weiß der Teufel was sonst noch. Mit diesem fünfzeiligen Blatte wäre es mir beinah schlimm gegangen; denn bei einem Regimente prügelten mich die Offiziere durch; indes ließen sie mich noch laufen, Gott lohne es ihnen! Und im vorigen Jahre wäre ich beinah abgefaßt worden, als ich Fünfzigrubelscheine französischen Fabrikats an Korowajew ablieferte; aber Gott sei Dank, Korowajew ertrank damals gerade in betrunkenem Zustande in einem Teiche, und da konnten sie mir nichts beweisen. Hier bei Wirginski verkündigte ich die Freiheit der sozialistischen Frau. Im Juni habe ich wieder im Kreise B*** Flugblätter verbreitet. Sie sagen, sie werden mich noch weiter dazu zwingen ... Peter Stepanowitsch teilt mir auf einmal mit, ich müsse gehorchen; er droht mir schon lange. Und wie hat er mich damals am Sonntag behandelt! Nikolai Wsewolodowitsch, ich bin ein Sklave, ein Wurm, aber kein Gott; nur dadurch unterscheide ich mich von Derschawin 1 . Aber mit meinen Mitteln ist es gar zu kläglich bestellt!«
    Nikolai Wsewolodowitsch hatte aufmerksam zugehört.
    »Vieles davon habe ich nicht gewußt,« sagte er. »Mit Ihnen konnten sie natürlich alles mögliche anfangen ... Hören Sie,« fuhr er nach kurzer Überlegung fort, »wenn Sie wollen, so sagen Sie ihnen doch (ich meine denjenigen, mit denen Sie da bekannt sind), Liputin hätte gelogen, und Sie hätten, in der Annahme, daß ich ebenfalls kompromittiert sei, mich nur durch eine

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