Die Dämonen
Wsewolodowitsch schien auf einmal ärgerlich zu werden. Mit kurzen, trockenen Worten zählte er alle Übeltaten des Hauptmanns auf: seine Trunksucht, seine Lügen, die Vergeudung des für Marja Timofejewna bestimmten Geldes, daß er sie aus dem Kloster herausgenommen hatte, seine frechen Briefe mit der Drohung, ein Geheimnis zu veröffentlichen, sein Benehmen gegen Darja Pawlowna usw. usw. Der Hauptmann bog sich hin und her, gestikulierte, begann etwas zu erwidern; aber Nikolai Wsewolodowitsch hielt ihn jedesmal gebieterisch zurück.
»Und erlauben Sie,« bemerkte er endlich, »Sie schreiben immer von ›Familienschande‹. Was liegt für Sie darin für eine Schande, daß Ihre Schwester mit Stawrogin in legitimer Form verheiratet ist?«
»Aber es ist eine heimliche Ehe, Nikolai Wsewolodowitsch, eine heimliche Ehe, ein verhängnisvolles Geheimnis. Ich empfange von Ihnen Geld, und da fragt man mich: ›Wofür ist dieses Geld?‹ Ich bin gebunden und kann darauf nicht antworten, zum Schaden meiner Schwester und zum Schaden der Familienehre.«
Der Hauptmann erhob die Stimme; er liebte dieses Thema und hatte fest darauf gerechnet. O weh, er ahnte nicht, welche schreckliche Nachricht ihm bevorstand. Ruhig und bestimmt, als ob es sich um die alltäglichste häusliche Angelegenheit handelte, teilte ihm Nikolai Wsewolodowitsch mit, daß er in den nächsten Tagen, vielleicht schon morgen oder übermorgen, seine Ehe im ganzen Orte bekannt zu machen gedenke, »sowohl der Polizei als auch der Gesellschaft«; damit werde sich die Frage der Familienehre und zugleich auch die Frage der Subsidien ganz von selbst erledigen. Der Hauptmann riß die Augen auf: er verstand gar nicht; es mußte ihm erst noch einmal erläutert werden.
»Aber sie ist ja ... nur halb bei Verstande?«
»Ich werde die erforderlichen Anordnungen treffen.«
»Aber ... was wird Ihre Mutter dazu sagen?«
»Nun, mag sie sagen, was sie will.«
»Aber werden Sie denn Ihre Gattin in Ihr Haus einführen?«
»Vielleicht auch das. Übrigens ist das absolut nicht Ihre Sache und geht Sie gar nichts an.«
»Wieso geht mich das nichts an?« rief der Hauptmann. »Und wie ist's mit mir?«
»Nun, Sie werden selbstverständlich nicht in mein Haus kommen.«
»Aber ich bin ja doch ein Verwandter?«
»Solche Verwandten hält man fern. Wozu sollte ich Ihnen dann noch Geld geben? Überlegen Sie sich das nur selbst!«
»Nikolai Wsewolodowitsch, Nikolai Wsewolodowitsch, das ist unmöglich; Sie werden sich das vielleicht noch überlegen; Sie werden nicht selbst Hand an sich legen wollen ... Was wird die vornehme Welt davon denken, dazu sagen?«
»Ich fürchte mich auch wohl sehr vor Ihrer vornehmen Welt! Ich habe damals Ihre Schwester geheiratet, als mir die Lust ankam, nach einem Diner mit vielem Wein, infolge einer Wette, und jetzt werde ich es laut veröffentlichen ... wenn mir das jetzt Freude macht.«
Er sagte das in besonders gereiztem Tone, so daß Lebjadkin in seiner Angst zu glauben anfing.
»Aber ich, ich bin ja doch dabei die Hauptsache! ... Sie scherzen vielleicht, Nikolai Wsewolodowitsch?«
»Nein, ich scherze nicht.«
»Nehmen Sie es nicht übel, Nikolai Wsewolodowitsch, aber ich kann es nicht glauben ... Dann habe ich eine Bitte an Sie.«
»Sie sind furchtbar dumm, Hauptmann.«
»Mag sein; aber es bleibt mir ja nichts anderes übrig!« erwiderte der Hauptmann total verwirrt. »Früher gaben mir die Leute für die Dienstleistungen meiner Schwester wenigstens eine Unterkunft in ihren elenden Wohnungen; aber was wird jetzt aus mir werden, wenn Sie Ihre Hand ganz von mir abziehen?«
»Sie wollen ja nach Petersburg fahren und Ihre Karriere wechseln. Apropos, ist das wahr, ich habe gehört, Sie hätten die Absicht, zum Zwecke einer Denunziation hinzureisen, in der Hoffnung, Verzeihung zu erlangen, wenn Sie alle andern angäben?«
Der Hauptmann öffnete den Mund, riß die Augen auf und antwortete nicht.
»Hören Sie mal, Hauptmann,« begann auf einmal Stawrogin außerordentlich ernst, indem er sich zu dem Tische vorbeugte. Er hatte bis dahin gewissermaßen zweideutig gesprochen, so daß Lebjadkin, der sich in die Rolle eines Narren eingelebt hatte, bis zum letzten Augenblicke immer noch ein wenig ungläubig gewesen war: ob sein Herr wirklich ärgerlich sei oder nur Spaß mache, ob er wirklich die böse Absicht habe, die Ehe zu veröffentlichen, oder nur scherze. Jetzt aber war Nikolai Wsewolodowitschs ungewöhnlich strenge Miene so überzeugend, daß dem
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