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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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zur Neuordnung des Staates gelangt? Sie Unglückliche, möge Ihnen Gott helfen!«
    »Ja, dahin bin ich gelangt, Stepan Trofimowitsch; Sie haben sorgsam alle neuen Ideen vor mir verborgen gehalten, die jetzt schon allen Leuten bekannt sind, und haben das einzig und allein aus Egoismus getan, um über mich eine Macht zu besitzen. Jetzt ist mir sogar diese Julija meilenweit voraus. Aber jetzt sind mir die Augen aufgegangen. Ich habe Sie verteidigt, Stepan Trofimowitsch, soviel ich nur konnte; denn geradezu alle erheben Anklagen gegen Sie!«
    »Genug!« sagte er und stand von seinem Platze auf. »Genug! Und was kann ich Ihnen nun noch anderes wünschen als Reue?«
    »Setzen Sie sich noch auf einen Augenblick, Stepan Trofimowitsch! Ich wollte Sie noch etwas fragen. Es ist Ihnen die Aufforderung überbracht worden, bei der literarischen Matinee etwas vorzulesen; das ist durch meine Vermittelung erfolgt. Sagen Sie, was werden Sie denn vorlesen?«
    »Gerade etwas über diese Königin der Königinnen, über dieses Ideal der Menschheit, die Sixtinische Madonna, die Ihrer Ansicht nach nicht soviel wert ist wie ein Glas oder ein Bleistift.«
    »Also nichts Historisches?« fragte Warwara Petrowna unangenehm überrascht. »Aber da werden Sie keine aufmerksamen Zuhörer haben. Verschonen Sie uns mit dieser Madonna! Wie kann es Ihnen nur Vergnügen machen, alle einzuschläfern! Seien Sie überzeugt, Stepan Trofimowitsch, daß ich nur in Ihrem Interesse rede. Das Richtige wäre, wenn Sie ein kurzes, interessantes, mittelalterliches Hofhistörchen aus der spanischen Geschichte nähmen, oder besser gesagt eine Anekdote, und diese dann noch mit eigenen Anekdoten und geistreichen Bemerkungen farcierten. Es hat dort üppige Hofhaltungen gegeben und zweifelhafte Damen und Vergiftungen. Karmasinow sagt, es würde sonderbar sein, wenn Sie aus der spanischen Geschichte nicht etwas Interessantes zum Zwecke der Vorlesung herausfänden.«
    »Karmasinow, dieser Dummkopf, der sich ausgeschrieben hat, sucht für mich Themata!«
    »Karmasinow, dieser Mann mit dem großartigen Verstande! Sie lassen Ihrer Zunge zu sehr den Zügel schießen, Stepan Trofimowitsch!«
    »Ihr Karmasinow ist ein altes, wütendes Weib, das sich ausgeschrieben hat!
Chère, chère,
haben Sie sich schon lange in die Knechtschaft dieser Menschen begeben? O Gott!«
    »Ich kann ihn jetzt auch nicht leiden wegen seiner Wichtigtuerei; aber ich lasse seinem Verstande Gerechtigkeit widerfahren. Ich wiederhole, ich habe Sie aus all meiner Kraft verteidigt, soviel ich nur konnte. Und wozu wollen Sie sich denn durchaus als einen lächerlichen, langweiligen Menschen hinstellen? Treten Sie doch lieber mit einem würdevollen Lächeln an das Rednerpult als der Vertreter eines vergangenen Zeitalters, und erzählen Sie drei Anekdoten mit all Ihrem Witz, erzählen Sie sie so, wie nur Sie manchmal zu erzählen verstehen! Mögen Sie auch ein alter Mann sein, mögen Sie auch einem Zeitalter angehören, das sich überlebt hat, mögen Sie endlich auch hinter den Männern von heute rückständig sein; aber Sie werden das selbst in der Vorrede lächelnd einräumen, und alle werden sehen, daß Sie eine liebenswürdige, gutherzige, geistreiche Ruine sind, kurz, ein Mensch von altem Witz und Verstand, ein Mensch, der so weit vorgeschritten ist, daß er die ganze Torheit mancher Anschauungen, in denen er bisher befangen gewesen ist, selbst zu beurteilen vermag. Also, tun Sie mir den Gefallen; ich bitte Sie darum.«
    »
Chère,
genug! Bitten Sie mich nicht; ich kann es nicht tun. Ich werde über die Madonna lesen; aber ich werde einen Sturm erregen, der entweder sie alle zu Boden wirft oder mich allein vernichtet!«
    »Sicherlich Sie allein, Stepan Trofimowitsch.«
    »Das ist dann eben mein Schicksal! Ich werde von dem gemeinen Knechte, von dem übelriechenden, liederlichen Bedienten erzählen, der als der erste mit einer Schere in der Hand auf die Leiter steigen und das göttliche Antlitz dieses Ideals zerschneiden wird, im Namen der Gleichheit, des Neides und ... der Verdauung. Möge mein Fluch wie ein Donner erschallen, und dann, dann ...«
    »Ins Irrenhaus?«
    »Vielleicht. Aber jedenfalls, mag ich nun unterliegen oder als Sieger hervorgehen, jedenfalls werde ich gleich an jenem Abend meinen Sack, meinen Bettelsack nehmen, werde alle meine Habseligkeiten, alle Ihre Geschenke, alle Pensionen und Versprechungen künftiger Wohltaten zurücklassen und zu Fuß davonwandern, um mein Leben bei einem Kaufmann

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