Die Dämonen
Peter Stepanowitsch gerettet und überwunden (davon war sie unerschütterlich überzeugt); da war zu erwarten, daß sie auch die übrigen retten werde. Sie sagte sich, es solle keiner, keiner von ihnen zugrunde gehen; sie werde sie alle retten; sie werde sie in verschiedene Klassen sortieren und so über sie berichten; sie werde im Geiste der höchsten Gerechtigkeit verfahren, und vielleicht werde sogar die Geschichte und der ganze russische Liberalismus ihren Namen segnen; aber dabei werde doch auch eine Verschwörung aufgedeckt sein. Alle möglichen Vorteile mit einemmal.
Aber doch war es erforderlich, daß wenigstens am Tage des Festes Andrei Antonowitsch ein vergnügteres Gesicht machte. Er mußte aufgeheitert und beruhigt werden. In dieser Absicht schickte sie Peter Stepanowitsch zu ihm; sie hoffte, daß dieser durch irgendein ihm bekanntes Beruhigungsmittel, vielleicht auch durch irgendwelche Mitteilungen, sozusagen Mitteilungen aus erster Hand, die Niedergeschlagenheit ihres Mannes beheben werde. Auf seine Geschicklichkeit setzte sie volles Vertrauen. Peter Stepanowitsch war schon lange nicht in Herrn v. Lembkes Arbeitszimmer gewesen. Er kam jetzt zu ihm gerade in einem Augenblicke hereingelaufen, wo der Patient sich in besonders übler Stimmung befand.
II.
Es hatte ein eigentümliches Zusammentreffen von Ereignissen stattgefunden, aus welchem v. Lembke absolut nicht klug werden konnte. In einer Kreisstadt (in ebenderjenigen, wo Peter Stepanowitsch unlängst an einem Trinkgelage teilgenommen hatte) hatte ein Unterleutnant von seinem Hauptmann einen mündlichen Verweis erhalten. Dies war in Gegenwart der ganzen Kompagnie geschehen. Der Unterleutnant, der erst vor kurzem aus Petersburg gekommen war, war ein noch junger Mensch, immer schweigsam und finster, mit selbstbewußter Miene, obwohl er klein, dick und rotbäckig war. Er ließ sich den Verweis nicht gefallen; mit einem unerwarteten Aufkreischen, über das die ganze Kompagnie erstaunt war, stürzte er sich plötzlich auf den Hauptmann, versetzte ihm mit dem grimmig gesenkten Kopfe einen heftigen Stoß und biß ihn aus aller Kraft in die Schulter; nur mit Mühe konnte man ihn losreißen. Es war kein Zweifel, daß er den Verstand verloren hatte; wenigstens stellte es sich heraus, daß in der letzten Zeit an ihm die unglaublichsten Sonderbarkeiten wahrgenommen worden waren. So hatte er zum Beispiel aus seinem Quartier zwei dem Wirte gehörige Heiligenbilder herausgeworfen und eines derselben mit dem Beil zerhackt; in seinem Zimmer hatte er auf drei Untergestellen, die mit kirchlichen Lesepulten Ähnlichkeit hatten, die Werke von Vogt, Moleschott und Büchner ausgelegt und bei jedem Lesepulte ein Paar wächserne Kirchenlichte angezündet. Aus der Menge der bei ihm gefundenen Bücher konnte man schließen, daß er ein sehr belesener Mann sei. Hätte er fünfzigtausend Franks gehabt, so wäre er vielleicht nach den Markesas-Inseln gefahren, wie jener »Kadett«, von welchem Herzen 1 in einer seiner Schriften mit so heiterem Humor spricht. Als er festgenommen wurde, fand man in seinen Taschen und in seiner Wohnung eine ganze Menge der wildesten Proklamationen.
Diese Proklamationen waren an und für sich eine Lappalie und meines Erachtens in keiner Weise besorgniserregend. Dergleichen hatten wir schon wer weiß wie viele zu sehen bekommen. Zudem waren sie gar nicht einmal neu: ganz ebensolche waren, wie man bald darauf erfuhr, unlängst im Gouvernement Ch*** verbreitet worden, und Liputin, der vor anderthalb Monaten in den Kreis und in das benachbarte Gouvernement gereist war, versicherte, schon damals genau die gleichen Blätter gesehen zu haben. Aber was unsern Andrei Antonowitsch befremdete, war besonders der Umstand, daß der Direktor der Schpigulinschen Fabrik gerade zu derselben Zeit an die Polizei zwei oder drei Pakete genau solcher Blätter, wie sie der Unterleutnant besessen hatte, ablieferte, die zur Nachtzeit auf den Fabrikhof geworfen waren. Die Pakete waren noch nicht aufgemacht gewesen, und es hatte noch keiner der Arbeiter etwas von dem Inhalte lesen können. Die Tat war ziemlich einfältig; aber Andrei Antonowitsch dachte angestrengt darüber nach. Er war der Ansicht, daß hier eine sehr unangenehme Komplikation vorliege.
In dieser Schpigulinschen Fabrik hatte damals soeben jene »Schpigulinsche Affäre« begonnen, die bei uns soviel Lärm hervorrief und mit mancherlei Varianten auch in die hauptstädtischen Zeitungen überging. Vor drei
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