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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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gestellte Frage ...«
    »Wieso in seltsamer Art?«
    »In einer Art, in welcher ähnliche Fragen sonst nicht gestellt werden.«
    »Dann bitte, belehren Sie mich! Aber wissen Sie, ich war von vornherein überzeugt, daß Sie der erste sein würden, der es bereuen werde.«
    »Sie haben uns eine Bereitschaftserklärung zu sofortigem Handeln entlockt; aber welches Recht hatten Sie zu solchem Vorgehen? Welche Vollmacht, um solche Fragen zu stellen?«
    »Wenn es Ihnen nur vorher eingefallen wäre, danach zu fragen! Warum haben Sie geantwortet? Sie haben zugestimmt, und nun haben Sie sich anders besonnen.«
    »Meiner Ansicht nach legt die leichtfertige Offenherzigkeit Ihrer Hauptfrage den Gedanken nahe, daß Sie überhaupt keine Vollmacht und kein Recht besitzen, sondern diese neugierige Frage nur aus sich gestellt haben.«
    »Wovon reden Sie? Wovon reden Sie?« rief Werchowenski, wie wenn er anfinge sich sehr zu beunruhigen.
    »Ich meine, daß die Übertragung irgendeiner Vertrauensstellung doch wenigstens unter vier Augen erfolgt und nicht in einer unbekannten Gesellschaft von zwanzig Personen!« sagte der Lahme heftig.
    Er hatte sich jetzt völlig ausgesprochen, war aber sehr gereizt. Werchowenski wandte sich mit vorzüglich erkünstelter Unruhe an die Gesellschaft.
    »Meine Herren, ich halte es für meine Pflicht, Ihnen allen zu erklären, daß dieses alles nur dummes Zeug ist und unser Gespräch zu weit gegangen ist. Ich habe noch niemandem eine Vertrauensstellung übertragen, und niemand hat das Recht, von mir zu sagen, ich übertrüge Vertrauensstellungen; sondern wir haben einfach unsere Meinungen ausgetauscht. Nicht wahr? Aber wie dem auch sei,« wandte er sich wieder an den Lahmen, »Sie versetzen mich in große Unruhe; ich hätte nicht gedacht, daß es hier erforderlich wäre, über solche beinah unschuldigen Dinge unter vier Augen zu reden. Oder befürchten Sie eine Denunziation? Kann sich wirklich jetzt ein Denunziant unter uns befinden?«
    Es entstand eine gewaltige Aufregung; alle fingen an zu reden.
    »Meine Herren, wenn es so ist,« fuhr Werchowenski fort, »so bin ich derjenige, der sich am meisten von allen kompromittiert hat, und darum schlage ich Ihnen vor, auf meine Frage zu antworten, selbstverständlich nur, wenn Sie wollen. Sie haben vollständig Ihren freien Willen.«
    »Was für eine Frage? Was für eine Frage?« lärmten alle los.
    »Eine Frage von der Art, daß durch ihre Beantwortung klar werden wird, ob wir zusammenbleiben können, oder ob es angezeigt ist, daß wir schweigend unsere Mützen nehmen und auseinandergehen, ein jeder seines Weges.«
    »Die Frage, die Frage!«
    »Wenn ein jeder von uns von einem beabsichtigten politischen Morde wüßte, würde er dann, obgleich er alle Folgen seines Schrittes voraussieht, hingehen und denunzieren, oder würde er zu Hause bleiben und die Ereignisse abwarten? Darüber können die Ansichten verschieden sein. Die Antwort auf diese Frage wird deutlich besagen, ob wir auseinandergehen müssen oder zusammenbleiben können, und zwar nicht nur für diesen einen Abend. Gestatten Sie, daß ich mich zuerst an Sie wende!« wandte er sich an den Lahmen.
    »Warum denn zuerst an mich?«
    »Weil Sie die ganze Sache angefangen haben. Tun Sie mir den Gefallen und weichen Sie nicht aus! Geschicklichkeit hilft hier nichts. Aber natürlich, wie Sie wollen: Sie haben Ihren freien Willen.«
    »Entschuldigen Sie, aber eine derartige Frage ist geradezu beleidigend.«
    »Nein, antworten Sie recht präzise!«
    »Ein Agent der Geheimpolizei bin ich nie gewesen,« erwiderte der, noch mehr bemüht, einer geraden Antwort zu entgehen.
    »Tun Sie mir den Gefallen, präziser zu antworten; halten Sie mich nicht auf!«
    Der Lahme war so wütend, daß er überhaupt nicht mehr antwortete. Schweigend sah er mit zornigem Blicke durch seine Brille seinen Peiniger starr an.
    »Ja oder nein? Würden Sie denunzieren oder nicht?« rief Werchowenski.
    »Selbstverständlich werde ich nicht denunzieren!« rief der Lahme noch viel lauter.
    »Und keiner wird denunzieren, selbstverständlich nicht!« ließen sich viele Stimmen vernehmen.
    »Erlauben Sie, daß ich mich an Sie wende, Herr Major! Würden Sie denunzieren oder nicht?« fuhr Werchowenski fort. »Und beachten Sie, bitte: ich wende mich absichtlich gerade an Sie.«
    »Ich werde nicht denunzieren.«
    »Nun, aber wenn Sie wüßten, daß jemand einen andern, gewöhnlichen Sterblichen ermorden und berauben will, dann würden Sie denunzieren und

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