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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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den Betreffenden warnen?«
    »Gewiß, aber das ist ein Fall aus dem bürgerlichen Leben, und vorher handelte es sich um eine politische Denunziation. Ein Agent der Geheimpolizei bin ich nie gewesen.«
    »Das ist hier niemand gewesen,« erschollen wieder mehrere Stimmen. »Die Frage war unnötig. Wir alle haben dafür dieselbe Antwort. Hier sind keine Denunzianten!«
    »Warum steht dieser Herr auf?« rief die Studentin.
    »Das ist Schatow. Warum sind Sie aufgestanden, Schatow?« rief die Wirtin.
    Schatow war tatsächlich aufgestanden, er hielt seine Mütze in der Hand und blickte Werchowenski an. Er schien etwas sagen zu wollen, aber noch zu schwanken. Sein Gesicht war blaß und grimmig; aber er beherrschte sich, sagte kein Wort und ging schweigend zur Tür.
    »Schatow, das ist für Sie nicht vorteilhaft!« rief ihm Werchowenski rätselhaft nach.
    »Aber für dich ist es vorteilhaft, du Spion, du Schurke!« schrie ihm von der Tür aus Schatow zu und ging vollends hinaus.
    Wieder wurde durcheinander geschrien und gerufen.
    »Das war eine gute Probe!« rief jemand.
    »Die hat sich bewährt!« rief ein anderer.
    »Hat sie sich nicht zu spät bewährt?« bemerkte ein dritter.
    »Wer hat ihn eingeladen? – Wer hat ihn aufgenommen? – Was ist das für einer? – Was für ein Mensch ist dieser Schatow? – Wird er denunzieren oder nicht?« so schwirrten nun die Fragen durcheinander.
    »Wenn er ein Denunziant wäre, würde er sich verstellen; aber er hat die Sache einfach hingeworfen und ist hinausgegangen,« bemerkte jemand.
    »Da steht auch Stawrogin auf; Stawrogin hat ebenfalls nicht auf die Frage geantwortet!« rief die Studentin.
    Stawrogin war wirklich aufgestanden, und mit ihm zugleich hatte sich am andern Ende des Tisches auch Kirillow erhoben.
    »Erlauben Sie, Herr Stawrogin,« wandte sich die Hausfrau an ihn in scharfem Tone; »wir alle haben hier auf die Frage geantwortet, und Sie gehen schweigend fort?«
    »Ich sehe keine Notwendigkeit, auf eine Frage zu antworten, weil sie Sie interessiert,« murmelte Stawrogin.
    »Aber wir haben uns kompromittiert, und Sie sich nicht!« schrien einige Stimmen.
    »Was geht das mich an, daß Sie sich kompromittiert haben?« versetzte Stawrogin lachend; aber seine Augen funkelten.
    »Wie meint er das: ›was geht es mich an?‹ Was will er damit sagen?« wurde von verschiedenen Seiten gerufen.
    Viele sprangen von den Stühlen auf.
    »Erlauben Sie, meine Herren, erlauben Sie,« rief der Lahme; »Herr Werchowenski hat ja die Frage ebenfalls nicht beantwortet, sondern sie nur gestellt.«
    Diese Bemerkung brachte eine überraschende Wirkung hervor. Alle sahen sich wechselseitig an. Stawrogin lachte dem Lahmen laut ins Gesicht und ging hinaus; Kirillow folgte ihm. Werchowenski lief hinter ihnen her ins Vorzimmer.
    »Was tun Sie mir da an?« murmelte er, indem er Stawrogin bei der Hand ergriff und sie aus aller Kraft in der seinigen zusammendrückte. Der riß schweigend seine Hand los.
    »Gehen Sie gleich zu Kirillow,« fuhr Peter Stepanowitsch fort; »ich werde auch hinkommen ... Ich muß notwendig mit Ihnen reden, ganz notwendig!«
    »Aber ich nicht mit Ihnen,« versetzte Stawrogin kurz.
    »Stawrogin wird da sein,« erklärte Kirillow, das Gespräch abschließend. »Sie müssen, Stawrogin. Ich werde Ihnen dort etwas zeigen.«
    Sie gingen hinaus.
     
Fußnoten
     
    1 Literarischer Kritiker und realistischer Philosoph, 1811-1848.
    Anmerkung des Übersetzers.
     
     

Achtes Kapitel.
     
    Iwan, der Zarensohn.
     
    Sie gingen hinaus. Peter Stepanowitsch hatte zunächst vor, in die »Sitzung« zurückzueilen, um das Chaos zu besänftigen; aber da er sich wahrscheinlich sagte, es lohne sich nicht, sich mit diesen Leuten lange abzumühen, so ließ er alles im Stich und lief zwei Minuten darauf schon auf der Straße hinter den Fortgegangenen her. Während des Laufens erinnerte er sich einer Seitengasse, durch die man näher zu dem Filippowschen Hause gelangen konnte; bis an die Knie im Schmutze versinkend durcheilte er sie und kam wirklich gerade in dem Augenblicke an, als Stawrogin und Kirillow sich dem Tore näherten.
    »Sie sind schon hier?« bemerkte Kirillow. »Das ist gut. Treten Sie ein!«
    »Sie haben mir aber doch gesagt, daß Sie ganz allein wohnen?« fragte Stawrogin, als er im Flur an einem zurechtgemachten und bereits kochenden Samowar vorbeikam.
    »Sie werden sogleich sehen, mit wem ich hier zusammen wohne,« murmelte Kirillow. »Treten Sie ein!«
    Sie gingen hinein.

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