Die Dämonen
Werchowenski zog sofort den anonymen Brief aus der Tasche, den er kurz vorher bei Lembke erhalten hatte, und legte ihn vor Stawrogin auf den Tisch. Alle drei setzten sich hin. Stawrogin las den Brief schweigend durch.
»Nun?« fragte er.
»Dieser Taugenichts wird so handeln, wie er da schreibt,« sagte Werchowenski. »Da Sie ihn in Ihrer Gewalt haben, so sollten Sie ihn lehren, wie er sich zu benehmen hat. Ich versichere Ihnen, daß er vielleicht schon morgen zu Lembke hingehen wird.«
»Na, mag er es tun!«
»Wie können Sie so reden! Besonders, wo man es verhindern kann.«
»Sie irren sich: er hängt nicht von mir ab. Und die Sache ist mir auch ganz gleichgültig; mir droht er ja mit nichts, nur Ihnen.«
»Auch Ihnen.«
»Ich meine nicht.«
»Aber es kann leicht so kommen, daß die anderen Sie nicht schonen; verstehen Sie das denn nicht? Hören Sie, Stawrogin, das ist ja nur ein Spiel mit Worten. Tut Ihnen wirklich das Geld leid?«
»Ist denn dazu etwa Geld nötig?«
»Unbedingt, zweitausend Rubel oder wenigstens fünfzehnhundert. Geben Sie mir das Geld morgen oder womöglich heute noch, und ich spediere ihn Ihnen morgen abend nach Petersburg, wo er ja auch hinmöchte. Wenn Sie wollen, mit Marja Timofejewna zusammen, wohl zu bemerken!«
Er befand sich in vollständiger Verwirrung, redete ohne jede Behutsamkeit und stieß unüberlegte Worte hervor. Stawrogin betrachtete ihn erstaunt.
»Ich habe keinen Anlaß, Marja Timofejewna wegzuschicken.«
»Vielleicht wollen Sie es auch gar nicht,« sagte Peter Stepanowitsch ironisch lächelnd.
»Möglich, daß ich es nicht will.«
»Machen wir's kurz: werden Sie das Geld geben oder nicht?« schrie ihn Peter Stepanowitsch in zorniger Ungeduld und in einem gewissermaßen gebieterischen Tone an.
Dieser musterte ihn mit ernster Miene.
»Ich werde das Geld nicht geben.«
»Hören Sie mal, Stawrogin, Sie wissen etwas, oder Sie haben schon etwas getan!«
Sein Gesicht verzerrte sich; die Mundwinkel zuckten, und er brach auf einmal in ein ganz unmotiviertes Lachen aus.
»Sie haben ja doch von Ihrem Vater das Geld für das Gut bekommen,« bemerkte Nikolai Wsewolodowitsch ruhig. »Meine Mutter hat Ihnen an Stepan Trofimowitschs Stelle sechs- oder achttausend Rubel gegeben. Bezahlen Sie doch die fünfzehnhundert Rubel von Ihrem eigenen Gelde. Ich bin es endlich müde, für andere Leute Geld zu bezahlen; ich habe so schon sehr viel ausgegeben und bereue es ...« Er mußte selbst über seine Worte lächeln.
»Ah, Sie fangen an zu scherzen ...«
Stawrogin erhob sich von seinem Stuhle; augenblicklich sprang auch Werchowenski auf und stellte sich mechanisch mit dem Rücken gegen die Tür, als wenn er ihm den Ausgang versperren wollte. Nikolai Wsewolodowitsch machte schon eine Bewegung, um ihn von der Tür wegzustoßen und hinauszugehen; aber plötzlich blieb er wieder stehen.
»Ich werde Ihnen Schatow nicht überlassen,« sagte er.
Peter Stepanowitsch zuckte zusammen; beide blickten einander an.
»Ich habe Ihnen vorhin gesagt, wozu Sie Schatows Blut nötig haben,« fuhr Stawrogin mit funkelnden Augen fort. »Sie wollen durch dieses Bindemittel Ihre Gruppen zusammenleimen. Soeben haben Sie Schatow auf sehr geschickte Art hinausgetrieben: Sie wußten ganz genau, daß er nicht sagen würde: ›Ich werde nicht denunzieren‹, und es für eine Gemeinheit halten würde, Ihnen gegenüber zu lügen. Aber mich, wozu in aller Welt haben Sie mich jetzt nötig? Sie setzen mir fast von dem Augenblicke an zu, wo ich aus dem Auslande gekommen bin. Was Sie mir bisher als Erklärung für dieses Ihr Verhalten gesagt haben, ist nur Schwindel. Dabei wünschen Sie, ich möchte dadurch, daß ich Lebjadkin fünfzehnhundert Rubel gebe, Ihren Fedka veranlassen, ihn zu ermorden. Ich weiß, Sie haben die Vorstellung, es sei mir erwünscht, wenn auch meine Frau gleichzeitig ermordet würde. Dadurch, daß Sie mich durch ein Verbrechen binden, hoffen Sie natürlich Gewalt über mich zu erlangen; so ist es doch? Aber wozu wollen Sie über mich Gewalt haben? Wozu wollen Sie mich gebrauchen? Sehen Sie mich doch ein für allemal näher an, ob ich ein Mensch bin, der für Sie taugt, und lassen Sie mich dann in Ruhe!«
»Ist Fedka selbst zu Ihnen gekommen?« fragte Werchowenski ängstlich.
»Ja, er hat sich an mich gewendet; sein Preis war ebenfalls fünfzehnhundert Rubel ... Da! Er kann es selbst bestätigen; da steht er ja!« fügte Stawrogin hinzu und wies mit der Hand nach der Tür.
Peter
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