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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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zusenden; gleichzeitig werde ich sie an die Redaktionen aller Zeitungen schicken mit der Bitte um Veröffentlichung, sowie auch an eine Menge von Persönlichkeiten in Petersburg und im übrigen Rußland, die mich kennen. Gleichermaßen werden sie im Auslande in Übersetzung erscheinen. Ich weiß, daß ich gerichtlich vielleicht gar nicht werde behelligt werden, wenigstens nicht in erheblichem Maße; ich bin mein einziger Denunziant und habe keinen Ankläger; außerdem sind keine oder doch nur außerordentlich wenige Beweise vorhanden. Dazu noch die festgewurzelte Meinung von meiner Geistesstörung und sicherlich die Bemühungen meiner Verwandten, die nicht verfehlen werden, diese Meinung auszunutzen und jede gerichtliche Untersuchung, die mir gefährlich werden könnte, zu unterdrücken. Das setze ich unter anderm in der Absicht auseinander, zu zeigen, daß ich jetzt bei vollem Verstande bin und meine Lage richtig beurteile. Aber es bleiben mir noch diejenigen, die alles wissen werden und auf mich schauen werden, so wie auch ich auf sie. Ich will, daß alle auf mich schauen. Ob mir das eine Erleichterung bringen wird, das weiß ich nicht. Es ist dies das letzte Mittel, zu dem ich meine Zuflucht nehme.
     
    Noch einmal: wenn man bei der Petersburger Polizei gehörig nachforscht, so wird man vielleicht alles feststellen können. Sehr möglich, daß das kleinbürgerliche Ehepaar auch jetzt noch in Petersburg lebt. Auf das Haus werden sich gewiß noch viele Leute besinnen. Es war hellblau. Ich aber werde nirgends hinreisen und mich einige Zeit (etwa ein oder zwei Jahre) dauernd in Skworeschniki, dem Gute meiner Mutter, aufhalten. Sollte ich vorgeladen werden, so werde ich überall erscheinen.
    Nikolai Stawrogin.
     
Fußnoten
     
    1 Die nachfolgende Geschichte von dem Bilde hat Dostojewski nachher in den »Werdejahren« III 7,2 verwertet.
    Anmerkung des Übersetzers.
     
     
III.
    Die Lektüre hatte ungefähr eine Stunde gedauert. Tichon hatte langsam und manche Stellen vielleicht zweimal gelesen. Die ganze Zeit über hatte Stawrogin schweigend und regungslos dagesessen. Merkwürdig: der ungeduldige, zerstreute, gewissermaßen fieberhafte Ausdruck, den sein Gesicht diesen ganzen Morgen über getragen hatte, war fast ganz verschwunden, und an seine Stelle war eine ruhige, sozusagen offenherzige Miene getreten, was ihm beinahe ein würdevolles Aussehen verlieh. Tichon nahm die Brille ab, zögerte ein Weilchen, hob dann endlich die Augen zu ihm in die Höhe und begann als erster mit einiger Behutsamkeit zu reden.
    »Könnte man nicht in diesem Schriftstücke einige Korrekturen vornehmen?«
    »Wozu? Ich habe alles wahrheitsgemäß geschrieben,« antwortete Stawrogin.
    »Man könnte im Stil ein wenig ändern ...«
    »Ich habe vergessen, Sie vorher darauf aufmerksam zu machen,« erwiderte er schnell in scharfem Tone, wobei er mit dem ganzen Oberkörper einen Ruck nach vorn machte, »daß alle Ihre Worte vergeblich sein werden; ich werde meine Absicht nicht aufgeben; geben Sie sich keine Mühe, sie mir auszureden. Ich werde es publizieren.«
    »Sie haben nicht vergessen, mich schon vorhin, vor dem Durchlesen, darauf aufmerksam zu machen.«
    »Ganz gleich,« unterbrach ihn Stawrogin schroff. »Ich wiederhole es Ihnen noch einmal: mögen Ihre Einwendungen auch noch so stark sein, ich werde von meiner Absicht nicht Abstand nehmen. Notabene: durch diese ungeschickte oder auch geschickte Phrase (urteilen Sie darüber, wie Sie wollen) will ich durchaus nicht bewirken, daß Sie so schnell wie möglich mit Ihren Einwendungen und Bitten anfangen.«
    »Ihnen Einwendungen machen und namentlich Sie bitten, daß Sie Ihre Absichten aufgeben möchten, das könnte ich auch gar nicht. Dieser Gedanke ist ein großer Gedanke, und der Grundgedanke des Christentums kann gar nicht in vollkommnerer Weise zum Ausdruck gelangen. Weiter als bis zu einer derartigen erstaunlichen Tat, wie Sie sie vorhaben, kann die Reue nicht gehen, wenn es nur ...«
    »Wenn nur was?«
    »Wenn es nur wirklich Reue und wirklich der Grundgedanke des Christentums wäre.«
    »Ich habe es mit aller Aufrichtigkeit geschrieben.«
    »Sie wollen sich scheinbar absichtlich roher hinstellen, als es Ihr Herz wünschen würde ...« sagte Tichon, der immer mutiger wurde. Offenbar hatte das »Schriftstück« auf ihn einen starken Eindruck gemacht.

    »Mich hinstellen? Ich wiederhole es Ihnen: ich habe mich nicht ›hingestellt‹ und namentlich nicht geschauspielert.«
    Tichon schlug

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