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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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werde.«
    »Antworten Sie mir auf eine Frage, aber aufrichtig, mir allein, nur mir,« sagte Tichon mit ganz anders klingender Stimme: »Wenn Ihnen jemand dies hier« (Tichon wies auf die bedruckten Bogen) »verziehe, und zwar nicht etwa einer von denen, vor welchen Sie Hochachtung oder Furcht empfinden, sondern ein Unbekannter, den Sie nie kennen lernen werden, und der schweigend Ihre furchtbare Beichte gelesen hat: würde Ihnen dann von diesem Gedanken leichter ums Herz werden, oder wäre es Ihnen ganz gleichgültig?«
    »Es würde mir leichter ums Herz werden,« antwortete Stawrogin halblaut. »Wenn Sie mir verziehen, würde mir viel leichter ums Herz werden,« fügte er mit niedergeschlagenen Augen hinzu.
    »Unter der Voraussetzung, daß auch Sie mir ebenso verzeihen,« erwiderte Tichon mit gerührter Stimme.
    »Das ist eine häßliche Demut. Wissen Sie, diese mönchischen Formeln sind recht unschön. Ich will Ihnen die volle Wahrheit sagen: ich möchte, daß Sie mir verziehen. Und mit Ihnen zusammen ein zweiter, ein dritter; aber die Gesamtheit, die Gesamtheit, die mag mich lieber hassen. Aber ich wünsche das in der Absicht, es mit Demut zu ertragen.«
    »Aber das allgemeine Mitleid mit Ihnen würden Sie nicht mit derselben Demut ertragen können?«
    »Vielleicht würde ich es nicht können. Sie machen sich sehr fein an mich heran. Aber wozu tun Sie das?«
    »Ich fühle den hohen Grad Ihrer Offenherzigkeit, und es tut mir wirklich sehr leid, daß ich es nicht verstehe, an die Menschen heranzukommen. Ich habe das immer als einen großen Mangel an mir empfunden,« sagte Tichon offen und herzlich, wobei er Stawrogin gerade in die Augen sah. »Ich habe das nur gesagt, weil ich für Sie fürchte,« fügte er hinzu. »Vor Ihnen liegt ein beinah unüberschreitbarer Abgrund.«
    »Ich werde es nicht ertragen? Ich werde den Haß der Menschen nicht ertragen?« rief Stawrogin auffahrend.
    »Es handelt sich nicht allein um den Haß.«
    »Um was denn noch?«
    »Um das Gelächter der Menschen,« erwiderte Tichon halb flüsternd; es schien, als ob er diese Worte nur mit großer Aufregung herausbrächte.
    Stawrogin geriet in Aufregung; eine starke Unruhe prägte sich auf seinem Gesichte aus.
    »Ich habe es geahnt,« sagte er. »Also hat die Lektüre meines Schriftstücks die Wirkung gehabt, daß ich Ihnen als eine sehr komische Person erscheine. Seien Sie unbesorgt, werden Sie nicht verlegen; ich hatte das erwartet.«
    »Entsetzen wird es darüber allerorten geben; aber dieses Entsetzen wird natürlich mehr fingiert als aufrichtig sein. Furchtsam sind die Menschen nur dem gegenüber, was direkt ihre persönlichen Interessen bedroht. Ich rede nicht von den reinen Seelen: diese werden sich im stillen entsetzen und sich selbst beschuldigen; aber von ihnen wird man nichts merken, weil sie schweigen werden. Das Gelächter aber wird ein allgemeines sein.«
    »Ich wundere mich, wie schlecht und mißgünstig Sie von den Menschen denken,« sagte Stawrogin, wie es schien, mit einem gewissen Ingrimm.
    »Aber glauben Sie mir: ich habe mehr nach mir selbst geurteilt, als daß ich an die Menschen gedacht hätte,« rief Tichon.
    »Wirklich? Steckt denn auch in Ihrer Seele etwas, was Sie an meinem Unglück Ihr Vergnügen haben läßt?«
    »Wer weiß, vielleicht ist auch das der Fall. Oh, vielleicht ist auch das der Fall!«
    »Genug! Aber zeigen Sie mir doch, wodurch ich mich eigentlich in meinem Manuskripte lächerlich gemacht habe. Ich weiß selbst, wodurch; aber ich möchte, daß Sie es mir mit Ihrem Finger zeigten. Und sagen Sie es in recht zynischer Weise, sagen Sie es namentlich mit all der Offenherzigkeit, deren Sie fähig sind. Und ich wiederhole Ihnen noch einmal, daß Sie ein höchst wunderlicher Kauz sind.«
    »Schon in der Form dieser Ihrer großen Beichte liegt etwas Lächerliches. O, glauben Sie nicht, daß Sie nicht siegen werden!« rief er plötzlich beinahe begeistert. »Sogar diese Form wird siegen« (er wies auf die gedruckten Bogen), »wenn Sie es nur mit aufrichtiger Demut hinnehmen, daß man Sie ohrfeigt und anspeit. Das Ende ist immer gewesen, daß das schmachvollste Kreuz zu einem großen Ruhme und zu einer großen Kraft wurde, wenn die Demut der Tat aufrichtig war. Vielleicht werden Sie sogar schon bei Ihren Lebzeiten getröstet werden! ...«
    »Also finden Sie vielleicht nur in der Form etwas lächerlich?« fragte Stawrogin beharrlich.
    »Auch im Inhalte. Die Häßlichkeit tötet,« flüsterte Tichon mit

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