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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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niedergeschlagenen Augen.
    »Die Häßlichkeit! Was für eine Häßlichkeit?«
    »Die Häßlichkeit des Verbrechens. Es gibt wahrhaft häßliche Verbrechen. Die Verbrechen, von welcher Art sie auch sein mögen, sind, je mehr Blut und Entsetzliches dabei vorkommt, um so eindrucksvoller, sozusagen um so malerischer; aber es gibt auch Verbrechen, die, von allem Entsetzlichen abgesehen, schämenswert, schmachvoll, ja sozusagen sogar geschmackswidrig sind ...«
    Tichon sprach nicht zu Ende.
    »Das heißt,« fiel Stawrogin aufgeregt ein, »Sie finden, daß ich eine sehr komische Figur machte, als ich dem schmutzigen kleinen Mädchen die Hände küßte ... Ich verstehe Sie sehr wohl, und Sie verzweifeln an mir gerade deswegen, weil es häßlich, garstig, nein, nicht garstig, sondern schämenswert, lächerlich ist, und Sie glauben, daß es dies ist, was ich am wenigsten werde ertragen können.«
    Tichon schwieg.
    »Ich verstehe, warum Sie nach dem Fräulein aus der Schweiz fragten, ob sie hier sei.«
    »Sie sind nicht vorbereitet, nicht abgehärtet,« flüsterte Tichon schüchtern und schlug die Augen nieder. »Sie sind von Ihrem Nährboden losgerissen, Sie glauben nicht.«
    »Hören Sie, Vater Tichon: ich will mir selbst verzeihen, und das ist mein hauptsächlichstes Ziel, mein ganzes Ziel!« sagte Stawrogin auf einmal; in seinen Augen war eine düstere Begeisterung zu lesen. »Ich weiß, daß nur dann die Vision verschwinden wird. Das ist der Grund, weswegen ich auch ein maßloses Leiden suche, es selbst suche. Schrecken Sie mich nicht davon ab; sonst werde ich in meiner Schlechtigkeit zugrunde gehen.«
    Diese Offenherzigkeit war so unerwartet, daß Tichon aufstand.
    »Wenn Sie glauben, daß Sie imstande sind sich selbst zu verzeihen und diese Selbstverzeihung auf dieser Welt durch Leiden zu erreichen, und wenn Sie sich ein solches Ziel in gläubiger Gesinnung setzen, so glauben Sie schon an alles!« rief Tichon begeistert. »Wie konnten Sie nur sagen, daß Sie nicht an Gott glaubten?«
    Stawrogin gab keine Antwort.
    »Gott wird Ihnen Ihren Unglauben verzeihen; denn Sie verehren den Heiligen Geist, ohne ihn zu kennen.«
    »Apropos, wird mir Christus verzeihen?« fragte Stawrogin mit einem schiefen Lächeln und in schnell verändertem Tone; aus dem Tone der Frage konnte man einen leisen Beiklang von Ironie heraushören.
    »Es steht ja in der Bibel geschrieben: ›Wenn ihr einen dieser Geringsten ärgert,‹ Sie besinnen sich wohl auf die Stelle. Nach dem Evangelium gibt es kein größeres Verbrechen ...« 1
    »Sie wollen ganz einfach einen Skandal vermeiden und stellen mir eine Falle, mein guter Vater Tichon,« sagte Stawrogin unter Kaubewegungen geringschätzig und ärgerlich und gab sich einen Ruck, um aufzustehen. »Kurz, Sie möchten, daß ich solide werde, womöglich heirate, mein Leben als Mitglied des hiesigen Klubs beschließe und an jedem Festtage Ihr Kloster besuche. Na, also eine Kirchenbuße! Nicht wahr? Übrigens ahnen Sie als Herzenskundiger vielleicht schon, daß es sich zweifellos so begeben wird, und sagen sich, daß es nur darauf ankommt, mich jetzt um des Anstandes willen hübsch zu bitten, da es mich ja selbst sehnlich danach verlangt. Nicht wahr?«
    Er lächelte spöttisch.
    »Nein, nicht eine solche Kirchenbuße; ich plane eine andere!« fuhr Tichon mit Wärme fort, ohne dem Lachen und der Bemerkung Stawrogins auch nur die geringste Beachtung zu schenken. »Ich kenne einen Ältesten, nicht hier, aber auch nicht weit von hier, einen Einsiedler und Asketen, einen Mann von einer solchen christlichen Weisheit, daß wir beide, Sie und ich, gar keine Vorstellung davon haben können. Er wird meinen Bitten Gehör schenken. Ich werde ihm alles über Sie sagen. Gehen Sie zu ihm, um unter seiner Anleitung zu büßen, auf fünf, sechs Jahre, auf so lange, wie Sie selbst es in der Folge werden für erforderlich halten. Legen Sie ein Gelübde ab, und durch dieses große Opfer werden Sie alles erkaufen, wonach Sie dürsten, und sogar was Sie nicht erwarten; denn Sie können jetzt gar noch nicht begreifen, was Sie empfangen werden.«
    Stawrogin hatte ihm mit ernstem Gesichte zugehört.
    »Sie schlagen mir vor, als Mönch in jenes Kloster einzutreten?«
    »Sie brauchen nicht im Kloster zu leben, Sie brauchen nicht Mönch zu werden; werden Sie nur Novize, geheimer, nicht offenkundiger Novize; das läßt sich so machen, daß Sie dabei vollständig in der Welt weiterleben können ...«
    »Hören Sie auf damit, Vater

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