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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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schnell die Augen nieder.
    »Dieses Schriftstück ist geradeswegs aus dem Bedürfnisse eines tödlich verwundeten Herzens hervorgegangen, – fasse ich das richtig auf?« sagte er nachdrücklich und mit besonderer Wärme. »Ja, das ist Reue und das natürliche Bedürfnis nach Reue, das Sie überwunden hat, und Sie sind auf einen herrlichen Weg geraten, auf einen seltenen Weg. Aber wie es scheint, hegen Sie bereits im voraus Haß und Verachtung gegen alle diejenigen, die das hier Erzählte lesen werden, und fordern sie zum Kampfe heraus. Da Sie sich nicht schämen, das Verbrechen zu bekennen, warum schämen Sie sich der Reue?«
    »Ich schäme mich?«
    »Ja, Sie schämen sich und fürchten sich!«
    »Ich fürchte mich?«
    »Ja, Sie fürchten sich gewaltig. ›Mögen sie auf mich schauen!‹ sagen Sie; nun aber Sie selbst, wie werden Sie auf jene schauen? Manche Stellen in Ihrer Erzählung sind durch den Stil verstärkt; Sie scheinen Ihre Seelenkunde zu bewundern und greifen nach jeder Kleinigkeit, nur um den Leser durch eine Gefühllosigkeit in Erstaunen zu versetzen, die in Wirklichkeit bei Ihnen gar nicht vorhanden ist. Was ist das anderes als eine hochmütige Herausforderung, die der Schuldige an den Richter richtet?«
    »Wo steckt denn da die Herausforderung? Ich habe alle Beurteilungen von meiner Person ferngehalten.«
    Tichon schwieg. Seine blassen Wangen überzog sogar eine leise Röte.
    »Lassen wir das!« schnitt Stawrogin dieses Thema scharf ab. »Gestatten Sie, daß ich nunmehr meinerseits Ihnen eine Frage vorlege: da reden wir nun nach der Lektüre dieser Blätter« (er wies durch eine Kopfbewegung danach hin) »schon fünf Minuten lang, und ich sehe an Ihnen immer noch keinen Ausdruck von Abscheu und Scham ... Sie sind, wie es scheint, nicht ekel ...«
    Er sprach nicht zu Ende.
    »Ich werde Ihnen nichts verbergen: ich bin erschrocken über die große, müßige Kraft, die hier absichtlich auf Gemeinheiten verwendet worden ist. Was das Verbrechen selbst anlangt, so sündigen auch viele andere in gleicher Weise, leben aber mit ihrem Gewissen in Ruhe und Frieden und halten das sogar für unvermeidliche Fehltritte der Jugend. Es gibt sogar Greise, die in gleicher Weise sündigen, und es sogar wie ein Amüsement, wie ein Spiel ansehen. Die ganze Welt ist voll von all solchen schrecklichen Dingen. Sie aber haben die ganze Tiefe dieses Abgrundes erkannt, was in solchem Grade nur sehr selten vorkommt.«
    »Am Ende haben Sie gar nach der Lektüre dieser Blätter angefangen mich zu achten?« fragte Stawrogin mit einem schiefen Lächeln.
    »Darauf werde ich nicht geradezu antworten. Aber ein größeres, furchtbareres Verbrechen als das, welches Sie an dem kleinen Mädchen begangen haben, kann es natürlich nicht geben.«
    »Wir wollen das nicht mit dem Zollstock abmessen. Ich leide vielleicht nicht so arg, wie ich es hier dargestellt habe, und habe vielleicht wirklich vieles zu meinem Nachteil erlogen,« fügte er unerwartet hinzu.
    Tichon schwieg wieder.
    »Aber dieses junge Mädchen,« begann Tichon von neuem, »mit dem Sie in der Schweiz gebrochen haben, wo befindet es sich in diesem Augenblicke ... wenn ich mir die Frage erlauben darf?«
    »Hier.«
    Wiederum folgte Stillschweigen.
    »Ich habe Sie vielleicht zu meinem Nachteil stark belogen,« wiederholte Stawrogin noch einmal nachdrücklich. »Übrigens, was schadet es, daß ich die Menschen durch die Roheit meiner Beichte herausfordere, wenn Sie die Herausforderung nun doch schon bemerkt haben? Ich werde sie veranlassen, mich noch mehr zu hassen, weiter nichts. Mir aber wird davon leichter ums Herz werden.«
    »Das heißt, der Haß der Menschen gegen Sie wird als Erwiderung bei Ihnen einen Haß gegen die Menschen hervorrufen, und wenn Sie sie hassen, so wird Ihnen leichter ums Herz sein, als wenn Sie ihr Mitleid entgegennähmen.«
    »Sie haben recht. Wissen Sie,« fuhr er, plötzlich auflachend, fort, »man wird mich wegen dieses Schriftstücks vielleicht einen Jesuiten und scheinheiligen Heuchler nennen, hahaha! Meinen Sie nicht?«
    »Gewiß, eine solche Auffassung wird zweifellos eintreten. Gedenken Sie denn aber, diese Absicht bald zur Ausführung zu bringen?«
    »Heute, morgen, übermorgen; wie kann ich das wissen? Aber jedenfalls sehr bald. Sie haben recht: ich meine, es wird gerade so kommen, daß ich es plötzlich veröffentliche, und zwar gerade in einem Augenblicke der Rachsucht und des Hasses, in einem Augenblicke, wo ich die Menschen am ärgsten hassen

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