Die Dämonen
Tichon!« unterbrach ihn Stawrogin mißmutig und erhob sich von seinem Stuhle. Tichon stand ebenfalls auf.
»Was ist Ihnen?« schrie Stawrogin plötzlich auf, indem er Tichon beinah entsetzt ansah. Dieser stand vor ihm, die Hände mit den Innenseiten vor der Brust zusammengelegt, und ein schmerzhafter Krampf, der vom größten Entsetzen verursacht zu sein schien, lief einen Augenblick lang über sein Gesicht.
»Was ist Ihnen? Was ist Ihnen?« wiederholte Stawrogin und stürzte zu ihm hin, um ihn zu halten. Er hatte den Eindruck, als ob jener umfallen werde.
»Ich sehe ... ich sehe, wie mit wirklichen Augen,« rief Tichon mit herzzerschneidender Stimme und mit dem Ausdrucke des tiefsten Grames, »daß Sie armer, verlorener Jüngling noch nie einem neuen, noch schrecklicheren Verbrechen so nahe gewesen sind wie in diesem Augenblicke.«
»Beruhigen Sie sich!« bat Stawrogin, der sich wirklich um ihn sehr ängstigte. »Ich werde die Veröffentlichung vielleicht noch aufschieben ... Sie haben recht ...«
»Nein, nicht nach der Veröffentlichung, sondern noch vorher, einen Tag, eine Stunde vielleicht vor dem großen Schritte, werden Sie sich in ein neues Verbrechen hineinstürzen, das Sie für einen Ausweg halten, und werden es einzig und allein in der Absicht begehen, der Veröffentlichung dieser Bogen zu entgehen.«
Stawrogin zitterte nur so vor Zorn und beinah auch vor Entsetzen.
»Verdammter Psychologe!« rief er plötzlich in heller Wut und verließ, ohne sich umzusehen, die Zelle.
Fußnoten
1 Zwischen dem Ende der vierzehnten Kolumne, die hier schließt, und dem Anfange der folgenden fünfzehnten fehlt der Zusammenhang.
Anmerkung des russischen Herausgebers.
Neuntes Kapitel.
Stepan Trofimowitsch wird »konfisziert«.
I.
Inzwischen trug sich bei uns ein Ereignis zu, das mich in Erstaunen versetzte und Stepan Trofimowitsch ernstlich erschütterte. Um acht Uhr morgens kam von ihm seine Nastasja zu mir gelaufen mit der Nachricht, der Herr sei »konfisziert«. Ich konnte zunächst nicht daraus klug werden; ich begriff nur, daß die »Konfiskation« durch Beamte erfolgt sei; diese waren gekommen und hatten Papiere weggenommen, und ein Soldat hatte sie in ein Bündel gebunden und »auf einer Schubkarre weggefahren«. Die Nachricht klang seltsam. Ich eilte sogleich zu Stepan Trofimowitsch hin.
Ich traf ihn in einem wunderlichen Zustande: er war verstört und in großer Erregung; aber doch hatte seine Miene gleichzeitig unzweifelhaft etwas Triumphierendes. Mitten im Zimmer siedete auf dem Tische ein Samowar, und daneben stand ein vollgegossenes, aber noch unberührtes, vergessenes Glas Tee. Stepan Trofimowitsch schlenderte um den Tisch herum und ging in alle Ecken des Zimmers, ohne sich von seinen Bewegungen Rechenschaft zu geben. Er trug seine gewöhnliche rote Jacke; aber als er mich erblickte, beeilte er sich, die Weste und den Rock anzuziehen, was er früher nie getan hatte, wenn einer der ihm näher Stehenden ihn in seiner Jacke getroffen hatte. Er griff sogleich in großer Aufregung nach meiner Hand.
»Enfin un ami!«
(Er seufzte aus tiefster Brust.)
»Cher,
Sie sind der einzige, zu dem ich geschickt habe; sonst weiß niemand etwas davon. Ich muß Nastasja befehlen, die Tür zuzuschließen und niemanden hereinzulassen, natürlich mit Ausnahme jener Menschen ...
Vous comprenez?«
Er blickte mich unruhig an, wie wenn er eine Antwort erwartete. Selbstverständlich beeilte ich mich, ihn zu befragen, und erfuhr mit Not und Mühe aus seiner unzusammenhängenden, an Unterbrechungen und unnötigen Einschaltungen reichen Darstellung, daß um sechs Uhr morgens »plötzlich« ein Gouvernementsbeamter zu ihm gekommen sei.
»Pardon, j'ai oublié son nom. Il n'est pas du pays;
aber wie es scheint, hat ihn Lembke mitgebracht,
quelque chose de bête et d'allemand dans la physionomie. Il s'appelle Rosenthal.«
»Nicht etwa Blümer?«
»Blümer. Ganz richtig, so hieß er.
Vous le connaissez? Quelque chose d'hébété et de très content dans la figure, pourtant très sévère, roide et sérieux.
Ein echter Polizeimensch, gehorsam gegen die Vorgesetzten,
je m'y connais.
Ich schlief noch, und denken Sie sich: er bat um die Erlaubnis, meine Bücher und Manuskripte ›ansehen‹ zu dürfen;
oui, je m'en souviens; il a employé ce mot.
Er hat mich nicht arretiert, sondern nur einige Bücher mitgenommen ...
Il se tenait à distance,
und als er anfing, mir sein Kommen zu erklären, da machte er ein
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