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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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und warten.«
    Er konnte sich noch nicht dazu entschließen, sich hinzulegen; aber ich bestand darauf. Nastasja brachte Essig in einer Tasse, und ich befeuchtete ein Handtuch und legte es ihm auf den Kopf. Dann stieg Nastasja auf einen Stuhl und zündete in der Ecke vor dem Heiligenbilde ein Lämpchen an. Ich bemerkte dies mit Verwunderung; ein Lämpchen war früher nie vorhanden gewesen, und jetzt war auf einmal eins da.
    »Das habe ich vorhin angeordnet, gleich nachdem die Leute weggegangen waren,« murmelte Stepan Trofimowitsch, mich schlau anblickend; »
quand on a de ces choses-là dans sa chambre et qu'on vient
vous arrêter,
so macht das Eindruck, und sie müssen dann melden, was sie gesehen haben ...«
    Als Nastasja mit dem Lämpchen fertig war, stellte sie sich in die Tür, legte die rechte Handfläche gegen die Backe und begann, ihn mit weinerlicher Miene anzusehen.
    »
Eloignez-la
unter irgendeinem Vorwande!« sagte er zu mir vom Sofa aus, indem er mir mit dem Kopfe einen Wink gab. »Ich kann diese russische Art des Bemitleidens nicht ausstehen,
et puis ça m'embête.
«
    Aber sie ging von selbst fort. Ich bemerkte, daß er immer nach der Tür hinspähte und nach dem Vorzimmer hinhorchte.
    »Il faut être prêt, voyez-vous,«
sagte er, mich bedeutsam anblickend; »
chaque moment ...
können sie kommen, mich mitnehmen, und hui – ist ein Mensch verschwunden!«
    »O Gott! Wer wird denn kommen? Wer wird Sie mitnehmen?«
    »
Voyez-vous, mon cher,
ich habe ihn, als er wegging, geradezu gefragt, was man jetzt mit mir machen werde.«
    »Sie hätten lieber fragen sollen, wohin man Sie verschicken werde!« rief ich mit demselben Unwillen wie kurz vorher.
    »Das war ja auch der verborgene Sinn meiner Frage; aber er ging weg, ohne eine Antwort gegeben zu haben.
Voyez-vous,
was Wäsche, Kleidung, namentlich warme Kleidung anlangt, da werden sie schon nach eigenem Ermessen anordnen, was ich mitnehmen soll; oder aber man transportiert mich vielleicht auch in einem bloßen Soldatenmantel fort. Aber ich habe fünfunddreißig Rubel« (er ließ plötzlich die Stimme sinken und blickte besorgt nach der Tür, durch welche Nastasja hinausgegangen war) »heimlich in einen Riß in der Westentasche geschoben; hier, fühlen Sie einmal! ... Ich denke, die Weste werden sie mir nicht wegnehmen; zum Scheine aber habe ich sieben Rubel im Portemonnaie gelassen; ›das ist alles, was ich habe,‹ will ich sagen. Wissen Sie, hier auf dem Tische habe ich Kleingeld und Kupfergeld herumliegen lassen, so daß sie nicht auf den Gedanken kommen können, daß ich Geld versteckt habe, sondern denken werden, daß dies alles sei. Gott mag wissen, wo ich die nächste Nacht zubringen werde.«
    Ich ließ den Kopf hängen bei diesem Nonsens. Offenbar war es ganz unmöglich, daß er so arretiert und durchsucht wurde, wie er das befürchtete; er war eben ganz verwirrt. Allerdings trug sich das alles damals noch vor Erlaß der jetzigen neuen Gesetze zu. Und allerdings war er, als man ihm (nach seiner eigenen Mitteilung) ein regelrechteres Verfahren vorgeschlagen hatte, »schlauer gewesen« und hatte es abgelehnt ... Gewiß konnte früher, das heißt noch vor kurzem, ein Gouverneur in ganz außerordentlichen Fällen auch ... Aber was konnte denn hier für ein solcher ganz außerordentlicher Fall vorliegen? Das machte mich ganz wirr.
    »Es ist sicherlich ein Telegramm aus Petersburg gekommen,« sagte Stepan Trofimowitsch auf einmal.
    »Ein Telegramm! Eines, das Sie betrifft? Wegen der Schriften von Herzen und wegen Ihres Gedichtes? Sie haben wohl den Verstand verloren! Weswegen sollte man Sie arretieren?«
    Ich war geradezu ärgerlich. Er schnitt eine Grimasse und fühlte sich offenbar beleidigt, nicht wegen meines Ausrufes, sondern wegen meiner Ansicht, daß kein Grund zu seiner Festnahme vorhanden sei.
    »Wer kann in unserer Zeit wissen, wofür man ihn arretieren kann?« murmelte er rätselhaft.
    Ein wunderlicher, törichter Gedanke fuhr mir durch den Kopf.
    »Stepan Trofimowitsch, sagen Sie mir als Ihrem Freunde,« rief ich, »als Ihrem aufrichtigen Freunde, ich werde Sie nicht verraten: gehören Sie irgendeiner geheimen Gesellschaft an?«
    Und siehe da, zu meiner Verwunderung war er sich auch darüber nicht sicher, ob er einer geheimen Gesellschaft angehörte oder nicht.
    »Das ist so, wie man's nehmen will;
voyez-vous ...
«
    »Was heißt das: ›wie man's nehmen will‹?«
    »Wenn man mit ganzem Herzen dem Fortschritt anhängt ... wer kann da dafür

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