Die Dämonen
vernünftige Gedanken eingeben, ihnen plötzlich und unerwartet zeigen, daß ihre Pläne bekannt seien, und ihnen dann neue Ziele für eine vernünftige, edlere Tätigkeit weisen. Oh, wie wirkte das alles auf Andrei Antonowitsch! Als er erfuhr, daß Peter Stepanowitsch ihn wieder betrogen und sich in gröblicher Weise über ihn lustig gemacht habe, daß er ihr weit mehr und früher enthüllt habe als ihm, und daß schließlich Peter Stepanowitsch vielleicht sogar der Rädelsführer bei all diesen verbrecherischen Plänen sei: da wurde er geradezu rasend. »Wisse, du unvernünftiges, aber boshaftes Weib,« rief er, indem er mit einem Male alle Ketten sprengte, »wisse, daß ich sogleich Befehl geben werde, deinen unwürdigen Liebhaber zu arretieren, in Fußfesseln zu schmieden und auf die Festung zu bringen! Oder ich werde selbst sofort vor deinen Augen aus dem Fenster springen!« Als Antwort auf diese Tirade brach Julija Michailowna, die vor Ärger im Gesichte ganz grün geworden war, unverzüglich in ein Gelächter aus, in ein langes, helles Gelächter mit Läufern und Übergängen, gerade wie auf dem französischen Theater, wenn eine Pariser Schauspielerin, die für hunderttausend Rubel engagiert ist, um die Kokettenrollen zu spielen, ihrem Manne ins Gesicht lacht, der ihretwegen Eifersucht zu bekunden wagt. Herr v. Lembke wollte schon zum Fenster hinstürzen, blieb aber plötzlich wie angewurzelt stehen, verschränkte die Arme über der Brust und sah leichenblaß mit einem Unheil verkündenden Blicke die Lachende an: »Weißt du, weißt du, Julija ...« sagte er schwer atmend mit flehender Stimme, »weißt du, daß auch ich etwas tun kann?« Aber als auf seine letzten Worte von ihrer Seite ein neuer, noch stärkerer Ausbruch von Gelächter folgte, biß er die Zähne zusammen, stöhnte auf und stürzte plötzlich – nicht nach dem Fenster, sondern auf seine Frau los und erhob die Faust über sie! Er ließ die Faust nicht auf sie niederfallen, nein, dreimal nein; sondern statt dessen verschwand er selbst auf der Stelle. Ohne die Beine unter sich zu spüren, lief er in sein Arbeitszimmer, warf sich, angekleidet wie er war, mit dem Gesicht nach unten auf das für ihn zurechtgemachte Bett, wickelte sich krampfhaft mitsamt dem Kopfe in die Bettdecke und lag so etwa zwei Stunden lang, ohne zu schlafen, ohne nachzudenken, mit einem Steine auf dem Herzen, die Seele von dumpfer, starrer Verzweiflung erfüllt. Ab und zu lief ihm ein qualvolles, fieberhaftes Zittern durch den ganzen Körper. Es kamen ihm irgendwelche zusammenhanglosen Dinge ins Gedächtnis, die mit seiner gegenwärtigen Lage in gar keiner Beziehung standen: er dachte zum Beispiel an eine alte Wanduhr, die er vor fünfzehn Jahren in Petersburg besessen hatte, und von der der Minutenzeiger abgefallen war; dann an den lustigen Beamten Milbois, und wie sie beide einmal im Alexanderpark einen Sperling gefangen und nach dem Fange mit einem durch den ganzen Park schallenden Gelächter sich daran erinnert hatten, daß der eine von ihnen schon Kollegienassessor war. Ich glaube, er schlief gegen sieben Uhr morgens ein, ohne es zu merken, und schlief mit Genuß und mit angenehmen Träumen. Als er gegen zehn Uhr erwachte, sprang er plötzlich wild vom Bette in die Höhe, erinnerte sich mit einem Male an alles und schlug sich heftig mit der flachen Hand vor die Stirn. Er frühstückte nicht; er ließ weder Blümer vor, noch den Polizeimeister, noch den Beamten, welcher kam, um ihn daran zu erinnern, daß die Mitglieder der und der Versammlung an diesem Vormittag darauf warteten, daß er den Vorsitz übernehme; er empfing niemand; er hörte nichts und wollte nichts verstehen, sondern lief wie ein Toller nach den von Julija Michailowna bewohnten Zimmern. Dort teilte ihm Sofja Antropowna, eine alte adlige Dame, die schon lange bei Julija Michailowna wohnte, mit, daß diese sich schon um zehn Uhr mit einer großen Gesellschaft in drei Equipagen zu Warwara Petrowna Stawrogina nach Skworeschniki begeben habe, um für das zweite geplante Fest, das in vierzehn Tagen stattfinden solle, die dortigen Lokalitäten zu besichtigen; dieser Besuch sei schon vor drei Tagen mit Warwara Petrowna verabredet worden. Über diese Nachricht betroffen, kehrte Andrei Antonowitsch in sein Arbeitszimmer zurück und gab heftig Befehl zum Anspannen. Er konnte kaum die Zeit erwarten, bis der Wagen bereit war. Seine Seele dürstete nach Julija Michailowna: nur sie ansehen wollte er, nur fünf Minuten
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