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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Andrei Antonowitsch hatte sich, gewissermaßen sich selbst zum Trotze, sein ganzes Leben lang durch ein ruhiges Wesen ausgezeichnet, nie jemanden angeschrien, nie ärgerlich mit den Füßen gestampft; aber gerade solche Menschen werden am gefährlichsten, wenn es einmal passiert, daß ihr Schlitten unversehens vom Berge herunterfährt. Alles schien sich vor seinen Augen herumzudrehen.
    »Ihr Flibustier!« schrie er noch kreischender und häßlicher, und die Stimme brach ihm plötzlich ab. Er stand da, ohne noch zu wissen, was er tun werde; aber er wußte und fühlte mit seinem ganzen Wesen, daß er unfehlbar im nächsten Augenblicke etwas tun werde.
    »O Gott!« hörte man aus der Menge rufen. Ein junger Bursche begann sich zu bekreuzen; drei oder vier Menschen schickten sich wirklich an auf die Knie zu fallen; aber die andern rückten in ihrer ganzen Masse etwa drei Schritte vor und begannen auf einmal alle durcheinanderzuschreien: »Exzellenz ... wir sind für vierzig Kopeken gedungen worden ... der Fabrikdirektor ... du kannst ja nicht reden« usw. usw. Es war nicht daraus klug zu werden.
    Leider konnte Andrei Antonowitsch nicht daraus klug werden: die Blümchen hatte er immer noch in der Hand. Von der Rebellion war er ebenso fest überzeugt wie vorhin Stepan Trofimowitsch von dem Bauernwagen. Aber in dem Schwarm der »Rebellen«, die ihn mit weitgeöffneten Augen anstarrten, glaubte er ihren »Aufwiegler« Peter Stepanowitsch umherhuschen zu sehen, der ihn seit dem gestrigen Tage auch nicht einen Augenblick verlassen hatte, Peter Stepanowitsch, den ihm verhaßten Peter Stepanowitsch.
    »Ruten her!« rief er noch unerwarteter als vorher.
    Es trat Totenstille ein.
    So hat sich, nach den zuverlässigsten Nachrichten und nach meinen Vermutungen, die Sache in ihrem ersten Stadium abgespielt. Aber die weiteren Nachrichten sind nicht so zuverlässig, und das gleiche gilt von meinen Vermutungen. Indessen stehen doch einige Tatsachen fest.
    Erstens erschienen die Ruten mit einer auffälligen Geschwindigkeit; offenbar hatte sie der umsichtige Polizeimeister in Erwartung des Kommenden bereit gehalten. Bestraft wurden übrigens nur zwei Personen; ich glaube nicht, daß es drei waren; daß die Zahl so gering war, kann ich bestimmt versichern. Eine reine Erfindung ist es, daß alle oder mindestens die Hälfte der Leute bestraft worden seien. Unsinn ist es auch, daß eine vorbeigehende arme adlige Dame ergriffen und sofort aus irgendwelchem Grunde durchgepeitscht sei; trotzdem habe ich selbst nachher in einer Korrespondenz einer Petersburger Zeitung solche Angaben über diese Dame gelesen. Viele sagten bei uns von einer Insassin des auf dem Kirchhof stehenden Armenhauses, namens Awdotja Petrowna Tarapygina, sie habe sich, als sie sich auf dem Heimwege von einem Besuche nach ihrem Armenhause befunden hätte und über den Platz gekommen sei, aus natürlicher Neugier durch die Zuschauer hindurchgedrängt und beim Anblicke des Vorganges ausgerufen: »Das ist ja eine Schande!« und habe dabei ausgespien; dafür sei sie festgenommen und gleichfalls »ermahnt« worden. Über diesen angeblichen Vorfall wurde nicht nur in den Zeitungen berichtet, sondern man setzte bei uns in der Stadt in der ersten Hitze sogar eine Subskription für sie ins Werk. Ich selbst habe zwanzig Kopeken gezeichnet. Und sollte man es glauben? Jetzt stellt sich heraus, daß es eine solche Armenhäuslerin Tarapygina bei uns überhaupt nicht gegeben hat! Ich bin selbst nach dem Armenhause auf dem Kirchhofe gegangen, um mich zu erkundigen: dort hat man nie etwas von einer Frau Tarapygina gehört; ja, die Leute fühlten sich sogar sehr gekränkt, als ich ihnen erzählte, was für ein Gerücht im Umlauf sei. Ich erwähne aber diese Geschichte von der nicht existierenden Awdotja Petrowna namentlich deswegen, weil sich mit Stepan Trofimowitsch beinah dasselbe begeben hat wie mit ihr (falls sie nämlich wirklich existiert hätte); ja, vielleicht hat sich dieses ganze alberne Gerücht über eine Frau Tarapygina irgendwie an seine Person geknüpft, das heißt, man hat einfach bei der weiteren Ausbildung der Klatschgeschichte ihn hurtig in eine Frau Tarapygina verwandelt. Vor allem begreife ich nicht, wie er mir hat entschlüpfen können, als wir eben zusammen auf den Platz gelangt waren. Da ich Unheil ahnte, wollte ich ihn um den Platz herum direkt zum Eingang des Gouvernementsgebäudes führen; aber ich war selbst neugierig und blieb nur einen Augenblick stehen, um den

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