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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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lang in ihrer Nähe sein; vielleicht würde sie ihm einen Blick zuwerfen, ihn bemerken, ihm wie früher zulächeln, ihm verzeihen ... oh, oh! »Aber wo bleibt denn der Wagen?« Mechanisch schlug er ein auf dem Tische liegendes dickes Buch auf (mitunter suchte er mittels eines Buches die Zukunft zu erkennen, indem er es aufs Geratewohl aufschlug und auf der rechten Seite oben drei Zeilen las). Er traf auf den Satz: »
Tout est pour le mieux dans le meilleur des mondes possibles.« Voltaire, Candide.
Er spuckte aus und lief hinaus, um einzusteigen: »Nach Skworeschniki!« Der Kutscher erzählte später, der Herr habe auf dem ganzen Wege die schnellste Fahrt verlangt; aber kaum hätten sie sich dem Gutshause genähert, da habe er auf einmal befohlen umzuwenden und wieder nach der Stadt zu fahren: »Recht schnell, bitte, recht schnell!« »Ehe wir noch den Stadtwall erreichten, befahl er mir wieder anzuhalten, stieg aus dem Wagen und ging vom Wege weg aufs Feld; ich dachte, wegen eines Bedürfnisses; aber er blieb stehen und besah sich ein paar Blümchen, und so stand er eine Weile da; es war wirklich wunderlich; ich war schon damals sehr bedenklich.« So erzählte der Kutscher. Ich erinnere mich an das Wetter an jenem Vormittage: es war ein kalter, klarer, aber windiger Septembertag; vor Andrei Antonowitsch, der vom Wege abgegangen war, breitete sich das öde, kahle Feld aus, von dem das Getreide längst weggeräumt war; der heulende Wind schaukelte die kläglichen Überbleibsel absterbender gelber Blümchen ... Ob er wohl sich und sein Schicksal mit den kümmerlichen, vom Herbst und der Kälte arg zugerichteten Blümchen vergleichen wollte? Ich glaube nicht. Ich glaube sogar bestimmt, daß er es nicht wollte, und daß er überhaupt gar nicht an die Blümchen dachte, trotz der Angabe des Kutschers und des Polizeikommissars des ersten Reviers, der in diesem Augenblicke in dem Wagen des Polizeimeisters herbeigefahren kam und später versicherte, er habe tatsächlich den Chef mit einem Sträußchen gelber Blumen in der Hand getroffen. Dieser Kommissar, ein für die administrative Tätigkeit begeisterter Beamter namens Wasili Iwanowitsch Flibustjerow, war noch nicht lange ein Einwohner unserer Stadt, hatte sich aber bereits ausgezeichnet und Aufsehen erregt durch seinen enormen Diensteifer, durch seine Tatkraft auf allen Gebieten der Exekutive und durch den ihm angeborenen Mangel an Nüchternheit. Er sprang aus dem Wagen, und ohne beim Anblicke der Beschäftigung seines Vorgesetzten mit dem irrsinnigen, aber zuversichtlichen Gesichtsausdrucke stutzig zu werden, meldete er kurz und knapp, in der Stadt sei es nicht ruhig.
    »Nun? Wer sind Sie?« wandte sich Andrei Antonowitsch zu ihm mit strenger Miene, aber ohne das geringste Erstaunen oder irgendwelche Erinnerung an die Kutsche und den Kutscher, gerade wie wenn er sich in seinem Arbeitszimmer befände.
    »Der Polizeikommissar des ersten Reviers Flibustjerow, Exzellenz. In der Stadt ist Rebellion.«
    »Von Flibustiern?« fragte Andrei Antonowitsch wie versonnen.
    »Jawohl, Exzellenz. Die Schpigulinschen rebellieren.«
    »Die Schpigulinschen! ...«
    Bei dem Namen »die Schpigulinschen« schien ihm etwas einzufallen. Er fuhr sogar zusammen und hob den Finger zur Stirn in die Höhe: »Die Schpigulinschen!« Schweigend, aber immer noch versonnen, ging er ohne Eile zu seinem Wagen, stieg ein und befahl nach der Stadt zu fahren. Der Kommissar fuhr in dem Wagen, in dem er gekommen war, hinter ihm her.
    Ich denke mir, daß ihm unterwegs viele sehr interessante Dinge, mancherlei Gegenstände unklar durch den Kopf gingen; aber er hatte schwerlich einen festen Gedanken oder eine bestimmte Absicht, als sein Wagen auf den Platz vor dem Gouvernementsgebäude gelangte. Kaum jedoch erblickte er die Schar der »Rebellen«, die sich dort aufgestellt hatte und in fester Haltung dastand, die Kette der Polizisten, den machtlosen (vielleicht aber absichtlich machtlosen) Polizeimeister und die allgemeine auf ihn gerichtete Erwartung, als ihm alles Blut zum Herzen strömte. Blaß stieg er aus der Kutsche.
    »Die Mützen herunter!« sagte er schwer atmend und kaum vernehmbar. »Auf die Knie!« kreischte er unerwartet, auch für ihn selbst unerwartet, und gerade dieser plötzliche Einfall hatte vielleicht die ganze nachfolgende Entwicklung der Sache zur Folge. Es war wie auf den Rutschbergen in der Fastnachtswoche: kann da etwa ein von oben herabsausender Schlitten mitten auf dem Berge anhalten?

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