Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
Vom Netzwerk:
Unruhe und Ungeduld mit aller Kraft zum Ausdruck bringt. Dabei gerät dieses Gesindel, ohne es selbst gewahr zu werden, fast immer unter die Herrschaft jenes kleinen Häufchens »leitender Männer«, die bei ihrer Tätigkeit ein bestimmtes Ziel verfolgen, und dieses Häufchen lenkt dann jenen ganzen Kehricht, wohin es ihm beliebt, wenn die »leitenden Männer« nur nicht selbst vollständige Idioten sind, was freilich ebenfalls vorkommt. Bei uns sagt man jetzt, wo alles vorüber ist, Peter Stepanowitsch habe seine Weisungen von der Internationale erhalten, Julija Michailowna die ihrigen von Peter Stepanowitsch, und diese habe nun nach seinem Kommando dem ganzen Gesindel die Richtung gewiesen. Die verständigsten Köpfe bei uns wundern sich jetzt über sich selbst, wie sie es nur fertiggebracht hätten, damals solche Fehlgriffe zu begehen. Worin eigentlich das Wesen unserer trüben Zeit bestand, und aus welchem Zustande und zu welchem Zustande sie bei uns den Übergang bildete, das weiß ich nicht, und das weiß, wie ich glaube, auch niemand außer etwa einigen fremden Gästen. Aber dabei bekamen auf einmal die allerelendesten Subjekte das Übergewicht und begannen laut alles Heilige zu kritisieren, während sie vorher nicht den Mund aufzumachen gewagt hatten, und die allerersten Männer, die bis dahin zum Segen des Ganzen die Oberhand gehabt hatten, fingen auf einmal an auf sie zu hören und selbst zu schweigen, zum Teil sogar in schmählichster Weise dazu zu kichern. Menschen wie Ljamschin und Teljatnikow, Gutsbesitzer wie Tentetnikow 1 , einheimische Rotznasen wie Radischtschew, melancholisch, aber hochmütig lächelnde Judenjünglinge, lachlustige, von auswärts gekommene Reisende, Dichter mit hauptstädtischer Richtung, Dichter ohne bestimmte Richtung und ohne Talent, aber dafür mit ärmellosen Jacken und Schmierstiefeln, Majore und Obersten, die sich über die Abgeschmacktheit ihres Berufes lustig machten und für einen Rubel Mehrgehalt bereit waren, sofort ihren Degen abzulegen und Eisenbahnsekretäre zu werden, Generäle, die zur Advokatur übergingen, fortschrittlich gebildete Makler, nach fortschrittlicher Bildung begierige kleine Kaufleute, unzählige Seminaristen, Frauen, die die Frauenfrage an ihrer eigenen Person in die Praxis umsetzten: all dies gewann bei uns plötzlich die Oberhand, und über wen? Über den Klub, über achtungswerte Würdenträger, über Generäle mit Stelzfüßen, über unsere so strenge, unnahbare Damenwelt. Wenn sogar Warwara Petrowna, bevor die Katastrophe mit ihrem Sohne eintrat, sich beinah zur Dienerin dieses ganzen Gesindels herabwürdigte, so kann man unseren anderen Minerven ihre damalige Torheit einigermaßen verzeihen. Jetzt führt man, wie ich schon gesagt habe, alles auf die Internationale zurück. Diese Vorstellung hat sich dermaßen festgesetzt, daß man sogar Fremden, die nach unserer Stadt kommen, über die Vorgänge in diesem Sinne berichtet. Erst neulich hat der Rat Kubrikow, ein Herr von zweiundsechzig Jahren mit dem Stanislausorden am Halse, öffentlich, ohne dazu herausgefordert zu sein, in tiefer Ergriffenheit erklärt, er habe ganze drei Monate lang unzweifelhaft unter dem Einflusse der Internationale gestanden. Und als man ihn mit aller seinen Jahren und seinen Verdiensten schuldigen Hochachtung aufforderte, sich deutlicher darüber auszusprechen, so konnte er zwar dafür keine anderen Beweise anführen, als daß er »durchaus diese Empfindung gehabt habe«, blieb aber trotzdem bei seiner Angabe, so daß man ihn nicht weiter befragte.
    Ich wiederhole noch einmal. Es hatte sich auch bei uns ein kleines Häufchen vorsichtiger Leute erhalten, die sich gleich zu Anfang zurückgezogen und sich sogar eingeschlossen hatten. Aber welches Türschloß hält gegen das Naturgesetz stand? Auch in den vorsichtigsten Familien gibt es heranwachsende junge Mädchen, die notwendig manchmal ein bißchen tanzen müssen. Und so subskribierten denn schließlich auch diese vorsichtigen Leute sämtlich für das Fest zum Besten der Gouvernanten. Der geplante Ball sollte glänzend werden, etwas noch nie Dagewesenes; man erzählte sich Wunderdinge davon; es gingen Gerüchte über zugereiste Fürsten mit Lorgnetten; über ein Dutzend Festordner, sämtlich junge Kavaliere mit Schleifen an der linken Schulter; über einige Herren aus Petersburg, die als Triebräder der geistigen Bewegung zu betrachten seien; Gerüchte, daß Karmasinow, um die Einnahmen zu erhöhen, eingewilligt habe,

Weitere Kostenlose Bücher