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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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daß, wenn sie keine jungen Mädchen gehabt hätten, es ihnen selbst gar nicht in den Sinn gekommen wäre, zu subskribieren. Ein Sekretär in untergeordneter Stellung brachte seine sämtlichen sieben Töchter mit, seine Frau natürlich ungerechnet, und außerdem noch eine Nichte, und jede von diesen Damen hatte eine Eintrittskarte für drei Rubel in der Hand. Man kann sich vorstellen, was für eine Revolution in unserer Stadt herrschte! Man ziehe auch in Betracht, daß, da das Fest in zwei Abteilungen zerfiel, auch für jede Dame zwei Toiletten erforderlich waren: eine Matinee-Toilette für die Vorlesung und eine Balltoilette für die Tänze. Viele Familien aus dem Mittelstande versetzten, wie sich später herausstellte, zu diesem Tage alles, sogar die Wäsche, die Bettlaken und beinahe auch die Matratzen bei unseren Juden. (Von Juden hat sich im Laufe der letzten zwei Jahre eine erschreckende Menge eingenistet, und der Zuzug wird immer noch je länger je stärker.) Fast alle Beamten ließen sich einen Gehaltsvorschuß geben, und manche Gutsbesitzer verkauften notwendiges Vieh; und alles nur, damit ihre Fräulein Töchter bei dem Feste wie Marquisinnen auftreten könnten. Die Pracht der Toiletten war diesmal eine für unseren Ort unerhörte. Die Stadt war in den vorhergehenden zwei Wochen voll von Familiengeschichtchen, die alle sogleich von unseren Spöttern der Frau Gouverneur zugetragen wurden. Karikaturen einzelner Familien wurden in Umlauf gesetzt. Ich selbst habe in Julija Michailownas Album mehrere derartige Zeichnungen gesehen. All dies wurde natürlich auch denjenigen Personen, auf die sich die Geschichtchen bezogen, nur zu gut bekannt; dies war, wie mir scheint, der Grund, weswegen in den Familien in der allerletzten Zeit ein so starker Haß gegen Julija Michailowna heranwuchs. Jetzt schimpfen alle auf sie und knirschen bei der Erinnerung an das Geschehene mit den Zähnen. Aber es war schon vor dem Feste klar, daß, falls das Komitee irgendeinen Fehler beginge oder der Ball in irgendwelcher Hinsicht mißglückte, ein unerhörter Ausbruch von Empörung erfolgen werde. Daher erwartete jeder im stillen einen Skandal; wenn aber alle ihn schon so erwarteten, wie hätte er da nicht eintreten sollen?
    Pünktlich um zwölf Uhr fing das Orchester an zu spielen. Da ich zu den Festordnern gehörte, das heißt, einer der zwölf jungen Männer mit Schleifen war, so habe ich mit eigenen Augen gesehen, wie dieser Tag schmählichen Angedenkens begann. Er begann mit einem maßlosen Gedränge am Eingange. Wie kam es, daß alles gleich von Anfang an mißglückte und als erste die Polizei Fehler beging? Dem wirklichen Publikum messe ich keine Schuld bei: die Familienväter, auch hochgestellte, suchten sich nicht durchzudrängen und drängten niemanden, sondern gerieten vielmehr, wie man sagt, schon auf der Straße in Verlegenheit beim Anblick des für unsere Stadt ungewöhnlichen Andranges der Menge, die das Portal belagerte und nicht einfach hineinging, sondern einen Sturmangriff ausführte. Unterdessen kamen fortwährend Equipagen angefahren und versperrten schließlich die Straße. Jetzt, wo ich dies schreibe, habe ich sichere Beweise für die Behauptung, daß mehrere Personen des gemeinsten Gesindels unserer Stadt von Ljamschin, Liputin und vielleicht noch von einem dritten, welche alle drei, ebenso wie ich, zu den Festordnern gehörten, einfach ohne Billette hereingelassen wurden. Wenigstens wurden sogar ganz unbekannte Individuen sichtbar, die aus den Kreisen und anderswoher herbeigekommen waren. Kaum hatten diese Wilden den Saal betreten, als sie sich sofort einstimmig (wie wenn sie dazu instruiert gewesen wären) erkundigten, wo sich das Büfett befinde, und, sowie sie erfuhren, daß keines da sei, ohne allen Anstand und mit einer bisher bei uns noch nicht dagewesenen Dreistigkeit zu schimpfen begannen. Allerdings waren manche von ihnen betrunken angekommen. Einige waren wie Wilde von der Pracht des Saales der Frau Adelsmarschall überrascht, da sie noch nie etwas Ähnliches gesehen hatten, wurden beim Eintritt ein Weilchen still und sahen sich mit offenem Munde um. Dieser große Weiße Saal war tatsächlich prächtig, wenn auch von einem schon aus der Mode gekommenen Baustile: er war von gewaltigen Dimensionen, ging durch zwei Stockwerke und hatte eine altertümlich gemalte und mit Vergoldung geschmückte Decke, Galerien, Wandspiegel, rote Draperie auf weißem Grunde, Marmorstatuen (vielleicht nicht sehr schöne, aber

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