Die Dämonen
immerhin Statuen) und altertümliche, schwere Möbel aus der napoleonischen Zeit, weiß mit Gold und mit rotem Samt überzogen. Zurzeit befand sich am einen Ende des Saales eine hohe Estrade für die Literaten, welche Vorlesungen halten sollten, und der ganze Saal war wie das Parkett eines Theaters dicht mit Stühlen vollgestellt, mit breiten Durchgängen für das Publikum. Aber nach den ersten Augenblicken des Erstaunens begannen die sinnlosesten Fragen und Bemerkungen. »Wir wollen vielleicht noch gar keine Vorlesung ... Wir haben unser Geld bezahlt ... Das Publikum ist in einer unverschämten Weise betrogen worden ... Wir sind hier die Herren vom Hause, und nicht die Lembkes! ...« Kurz, es machte den Eindruck, als seien sie gerade zu diesem Zwecke hereingelassen worden. Besonders erinnere ich mich an ein Renkontre, bei welchem sich der fremde junge Fürst auszeichnete, der am Vormittag des vorhergehenden Tages bei Julija Michailowna gewesen war, einen großen Stehkragen getragen und wie eine Holzpuppe ausgesehen hatte. Er hatte sich ebenfalls auf ihre dringende Bitte bereitfinden lassen, sich eine Schleife an die linke Schulter zu stecken und mit uns zusammen das Amt eines Festordners zu versehen. Nun stellte es sich heraus, daß diese stumme Wachsfigur, die sich nur durch ein Federwerk zu bewegen schien, wenn auch nicht zu reden, so doch in ihrer Art zu handeln verstand. Als ein pockennarbiger, hochgewachsener Hauptmann a.D., gestützt auf einen ganzen sich hinter ihm herdrängenden Schwarm von allerlei Gesindel, ihm mit der Frage zusetzte, wo man hier zum Büfett komme, da winkte er einem Polizisten. Seine Weisung wurde unverzüglich ausgeführt: trotz seines Schimpfens wurde der betrunkene Hauptmann aus dem Saale hinausspediert. Unterdes begann endlich auch das »wirkliche« Publikum zu erscheinen und zog sich in drei langen Strömen in den drei Durchgängen zwischen den Stühlen hin. Das unordentliche Element wurde ruhig; aber das Publikum, auch das »beste«, machte unzufriedene und erstaunte Gesichter; manche Damen waren geradezu ängstlich.
Endlich hatten alle Platz genommen; nun schwieg auch die Musik. Man fing an sich zu schneuzen und sich umzusehen. Man wartete jedoch mit gar zu stolzer Miene, was an sich schon immer ein schlechtes Vorzeichen ist. Aber Lembkes waren noch nicht da. Seide, Samt und Brillanten glänzten und leuchteten auf allen Seiten; die Luft war von Wohlgerüchen erfüllt. Die Männer hatten ihre sämtlichen Orden angelegt, und selbst die alten Herren trugen Uniform. Endlich erschien auch die Frau Adelsmarschall, von Lisa begleitet. Noch nie war Lisa so blendend schön gewesen wie an diesem Tage und noch nie in so reicher Toilette. Ihr Haar war in Locken frisiert, ihre Augen blitzten, auf ihrem Gesichte strahlte ein Lächeln. Sie machte augenscheinlich Effekt; man betrachtete sie und flüsterte einander Bemerkungen über sie zu. Man sagte, sie suche mit den Augen nach Stawrogin; aber weder Stawrogin noch Warwara Petrowna waren anwesend. Ich verstand damals Lisas Gesichtsausdruck nicht: warum zeigte dieses Gesicht so viel Glückseligkeit und Freude, so viel Energie und Kraft? Ich erinnerte mich an das Geschehnis vom vorhergehenden Tage und war völlig verblüfft. Aber Lembkes waren immer noch nicht da. Schon dies war ein Fehler. Ich habe später erfahren, daß Julija Michailowna bis zum letzten Augenblicke auf Peter Stepanowitsch gewartet hatte, ohne den sie in der letzten Zeit keinen Schritt tun konnte, obwohl sie sich dessen nie so recht bewußt war. Ich bemerke in Parenthese, daß Peter Stepanowitsch am vorhergehenden Tage in der letzten Komiteesitzung die Schleife eines Festordners abgelehnt und die Frau Gouverneur dadurch sehr betrübt hatte, sogar so, daß sie Tränen vergoß. Zu ihrem Erstaunen und nachher auch zu ihrer größten Bestürzung (ich werde das später erklären) blieb er den ganzen Vormittag unsichtbar und erschien auch nicht zu den literarischen Vorlesungen, so daß ihn bis zum Abend niemand zu sehen bekam. Endlich begann das Publikum deutlich seine Ungeduld zu bekunden. Auch auf der Estrade zeigte sich noch niemand. In den hinteren Reihen begann man in die Hände zu klatschen wie im Theater. Die älteren Herren und Damen machten finstere Gesichter und bemerkten: »Lembkes benehmen sich offenbar schon gar zu vornehm.« Sogar bei den besseren Teilen des Publikums begann ein törichtes Geflüster: das Fest werde vielleicht wirklich nicht stattfinden, Lembke sei
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