Die Dämonen
möchte ich mich enthalten, meine Herrschaften. Ich achte jedes Publikum zu sehr, um mir Vergleiche, wenn auch unschuldiger Art, 4 zu erlauben; aber ich hatte geglaubt ...«
»Aber Sie, mein Herr, sollten nicht so sehr ...« rief jemand aus den hintersten Reihen.
»Aber ich hatte gedacht, wenn ich die Feder niederlegte und vom Leser Abschied nähme, so würde man mich anhören ...«
»Ja, ja, wir wollen hören, wir wollen hören!« ertönten endlich einige mutig gewordene Stimmen aus der ersten Reihe.
»Lesen Sie, lesen Sie!« fielen einige enthusiastische Damenstimmen ein, und endlich brach ein Beifallklatschen aus, das allerdings nur dünn und schwach war.
Karmasinow verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln und erhob sich von seinem Platze.
»Seien Sie überzeugt, Karmasinow, daß alle es sich sogar zur Ehre anrechnen ...« konnte sich die Frau Adelsmarschall selbst nicht enthalten zu bemerken.
»Herr Karmasinow,« ertönte auf einmal eine helle, jugendliche Stimme aus der Tiefe des Saales. Es war die Stimme eines sehr jungen Lehrers der Kreisschule, eines hübschen, ruhigen, anständigen jungen Menschen, der noch nicht lange in unserer Stadt wohnte. Er stand sogar von seinem Platze auf. »Herr Karmasinow, wenn ich das Glück hätte, mich so zu verlieben, wie Sie das geschildert haben, so hätte ich wahrhaftig über meine Liebe nichts in eine für eine öffentliche Vorlesung bestimmte Schrift aufgenommen ...«
Er war sogar ganz rot geworden.
»Meine Herrschaften,« rief Karmasinow, »ich schließe. Ich werde den letzten Abschnitt fortlassen und abtreten. Erlauben Sie mir nur noch, die Schlußzeilen vorzulesen!«
»Ja, lieber Leser, lebe wohl!« begann er sogleich aus seinem Manuskripte zu lesen, ohne sich noch einmal auf den Stuhl zu setzen. »Lebe wohl, lieber Leser! Ich spreche nicht einmal die dringende Bitte aus, daß wir als Freunde scheiden möchten: in der Tat, wozu soll ich dich mit einer solchen Bitte belästigen? Schimpfe sogar, o schimpfe auf mich, soviel du willst, wenn es dir Vergnügen macht! Das Beste aber wäre, wenn wir einander für immer vergäßen. Und wenn Sie alle, liebe Leser, jetzt vor mir auf die Knie fielen und mich mit Tränen bäten: ›Schreibe, o schreibe um unsertwillen, Karmasinow, um des Vaterlandes willen, um der Nachwelt willen, um der Lorbeerkränze willen!‹ so würde ich auch dann, selbstverständlich mit höflichstem Danke, Ihnen antworten: ›Nein, wir haben uns schon genug miteinander abgemüht, liebe Landsleute,
merci!
Es ist Zeit, daß wir jeder seines Weges gehen!
Merci, merci, merci!‹
«
Karmasinow machte eine zeremonielle Verbeugung und begab sich ganz rot, wie wenn er gekocht wäre, hinter die Kulissen.
»Es wird überhaupt kein Mensch auf die Knie fallen; eine wunderliche Phantasie!«
»Ist das eine Eitelkeit!«
»Das ist nur Humor,« wollte ein Vernünftiger berichtigen.
»Nein, bleiben Sie uns mit Ihrem Humor vom Leibe!«
»Aber das ist doch eine Dreistigkeit, meine Herren!«
»Na, wenigstens hat er jetzt aufgehört.«
»War das aber eine Langeweile!«
Aber all diese groben Ausrufe der hinteren Reihen (übrigens nicht nur der hinteren) wurden nun übertönt durch das Beifallklatschen des übrigen Publikums. Karmasinow wurde herausgerufen. Mehrere Damen, an ihrer Spitze Julija Michailowna und die Frau Adelsmarschall, drängten sich bei der Estrade zusammen. Julija Michailowna hielt ein weißes Samtkissen in den Händen, auf dem ein prachtvoller Lorbeerkranz innerhalb eines anderen Kranzes von frischen Rosen lag.
»Lorbeeren!« sagte Karmasinow mit einem feinen, etwas boshaften Lächeln. »Ich bin natürlich gerührt und nehme diesen im voraus fertiggestellten, aber noch nicht verwelkten Kranz mit lebhaftem Gefühle des Dankes an; aber ich versichere Ihnen,
mesdames,
ich bin auf einmal ein solcher Realist geworden, daß ich meine, in unserem Zeitalter sind Lorbeeren in den Händen eines geschickten Koches weit mehr am Platze als in den meinigen ...«
»Ja, ein Koch ist nützlicher,« rief jener selbe Seminarist, der in der »Sitzung« bei Wirginski gewesen war.
Die Ordnung wurde jetzt etwas gestört. Die Anwesenden sprangen aus vielen Reihen auf, um die Überreichung des Lorbeerkranzes mit anzusehen.
»Für einen Koch würde ich jetzt noch drei Rubel zulegen,« sagte eine andere Stimme laut, sogar sehr laut und mit starkem Nachdruck.
»Ich auch.«
»Ich auch.«
»Ist denn hier wirklich kein Büfett?«
»Meine Herren, das ist einfach
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