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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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einmal sage ich Ihnen
merci
für alles, und dann lassen Sie uns voneinander scheiden wie Karmasinow vom Publikum, das heißt, vergessen wir einander möglichst edelmütig! Allerdings war es von ihm nur ein schlaues Manöver, daß er seine bisherigen Leser dringend bat, ihn zu vergessen;
quant à moi,
so bin ich nicht so selbstsüchtig und hoffe vor allem auf die Jugendlichkeit Ihres unverdorbenen Herzens: wie sollten Sie denn lange an einen nutzlosen alten Mann denken? ›Leben Sie weiter!‹ mein Freund, wie mir das an meinem letzten Namenstage Nastasja wünschte
(ces pauvres gens ont quelquefois des mots charmants et pleins de philosophie).
Ich wünsche Ihnen nicht viel Glück; das Glück langweilt. Ich wünsche Ihnen auch nicht Unglück. Sondern ich wiederhole einfach gemäß der Volksphilosophie: ›Leben Sie weiter!‹ und bemühen Sie sich, sich nicht allzusehr zu langweilen! Diesen gehaltlosen Wunsch füge ich aus dem Meinigen hinzu. Nun, leben Sie wohl, leben Sie in allem Ernste wohl! Und bleiben Sie nicht an meiner Tür stehen; ich werde nicht aufschließen.«
    Er ging weg, und ich erreichte nichts weiter. Trotz der von ihm erwähnten Aufregung hatte er fließend, ohne Hast und energisch gesprochen und offenbar gewünscht, auf mich Eindruck zu machen. Gewiß hatte er sich über mich ein bißchen geärgert und wollte sich nun indirekt an mir rächen, vielleicht noch wegen des gestrigen Bauernwagens und der auseinandergehenden Dielen. Die Tränen, die er am Vormittag vor dem Publikum vergossen hatte, hatten ihn trotz einer Art von Sieg dennoch (das wußte er) in eine etwas komische Situation gebracht, und es gab keinen Menschen, der um die strenge Innehaltung einer schönen Form im Verkehr mit Freunden so besorgt gewesen wäre wie Stepan Trofimowitsch. Oh, ich klage ihn nicht an! Aber diese Pedanterie und Spottlust, die sich bei ihm trotz aller Erschütterungen erhalten hatten, beruhigten mich damals: ein Mensch, der anscheinend so wenig von seinem sonstigen steten Wesen abgegangen war, konnte schließlich in diesem Augenblicke nicht zu etwas Tragischem oder Ungewöhnlichem Lust verspüren. So urteilte ich damals, und, o Gott, wie irrte ich mich! Ich hatte dabei gar zu vieles außer acht gelassen! ...
    Den Ereignissen vorgreifend führe ich hier die ersten Zeilen des Briefes an Darja Pawlowna an, den diese wirklich am folgenden Tage empfing.
    »
Mon enfant,
meine Hand zittert; aber ich habe mit allem abgeschlossen. Sie waren bei meinem letzten Zusammenstoße mit den Menschen nicht zugegen; Sie waren nicht zu dieser ›Vorlesung‹ gekommen, und Sie hatten gut daran getan. Aber man wird Ihnen erzählen, daß in unserem an Charakteren so armen Rußland ein kühner Mann aufgestanden ist und trotz der furchtbarsten Bedrohungen, mit denen er von allen Seiten überschüttet wurde, diesen Dummköpfen die Wahrheit gesagt hat, nämlich, daß sie Dummköpfe sind.
O, ce sont de pauvres petits vauriens et rien de plus, de petits
Dummköpfe,
voilà le mot!
Der Würfel ist geworfen; ich verlasse diese Stadt für immer und weiß nicht, wohin ich gehe. Alle, die ich geliebt habe, haben sich von mir abgewandt. Aber Ihnen, Sie reines, kindliches Wesen, Ihnen, Sie sanftes Geschöpf, dessen Schicksal sich nach dem Willen eines launenhaften, herrschsüchtigen Herzens beinah mit dem meinigen vereinigt hätte, Ihnen, die Sie mich vielleicht mit Geringschätzung angesehen haben, als ich kurz vor unserer nicht zustandegekommenen Ehe kleinmütige Tränen vergoß, Ihnen, die Sie, wie Sie auch immer sein mögen, mich notwendigerweise als eine komische Person betrachten müssen, o Ihnen, Ihnen gilt der letzte Aufschrei meines Herzens, gegen Sie habe ich meine letzte Pflicht zu erfüllen, nur gegen Sie! Ich kann Sie nicht für immer in der Meinung belassen, daß ich ein undankbarer Tor, ein grober Egoist sei, wie Ihnen das wahrscheinlich ein undankbares, grausames Herz, das ich leider nicht vergessen kann, täglich von mir versichert ...«
    Und so weiter, und so weiter, im ganzen vier Seiten großen Formates.
    Nachdem ich zur Antwort auf sein »Ich werde nicht aufschließen« dreimal mit der Faust gegen die Tür geschlagen und ihm nachgerufen hatte, er werde noch heute Nastasja dreimal zu mir schicken, um mich zu holen, ich würde aber nicht kommen, verließ ich ihn und eilte zu Julija Michailowna.
     
II.
     
    Hier wurde ich Zeuge einer aufregenden Szene: die arme Frau wurde, ihr gerade ins Gesicht, belogen und betrogen, und ich konnte

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