Die Dämonen
doch nicht Wort gehalten und keine Blumen hergegeben. Hm! Sie wird wohl jetzt an andere Dinge denken als an Blumen,
pauvre mère!
Und die arme Lisa, haben Sie es gehört? Man sagt, es sei eine geheimnisvolle Geschichte, und ... und wieder erscheint dieser Stawrogin auf dem Plan ... Hm! Ich möchte gern wegfahren und mich schlafen legen ... ich kann schon den Kopf gar nicht mehr gerade halten. Wann mag denn diese li-te-ra-ri-sche Quadrille anfangen?«
Endlich fing auch die literarische Quadrille an. In der Stadt war man in der letzten Zeit, sobald irgendwo ein Gespräch über den bevorstehenden Ball begonnen hatte, immer alsbald auf diese literarische Quadrille zu reden gekommen, und da sich niemand so recht vorstellen konnte, was das sei, so hatte sie maßlose Neugier erregt. Nichts konnte für den Erfolg gefährlicher sein, und – wie groß war nun die Enttäuschung!
Eine bis dahin verschlossene Seitentür des Weißen Saales öffnete sich, und plötzlich erschienen einige Masken. Das Publikum umringte sie mit lebhaftem Interesse. Alle, die bisher im Büfettzimmer gewesen waren, kamen bis auf den letzten Mann auf einmal in den Saal geströmt. Die Masken stellten sich zum Tanzen auf. Es gelang mir, mich in die vorderste Reihe durchzudrängen, und ich kam gerade hinter Julija Michailowna, v. Lembke und den General zu stehen. In diesem Augenblicke sprang zu Julija Michailowna Peter Stepanowitsch heran, der bis dahin nirgends zu sehen gewesen war.
»Ich halte mich immer im Büfettzimmer auf und beobachte,« flüsterte er mit der Miene eines schuldbewußten Schulknaben, die er übrigens absichtlich fingierte, um sie noch mehr zu reizen.
Diese wurde dunkelrot vor Zorn.
»Wenn Sie mich nur wenigstens jetzt nicht mehr betrügen wollten, Sie frecher Mensch!« entfuhr es ihr beinah laut, so daß man es im Publikum hören konnte.
Peter Stepanowitsch lief, mit sich selbst höchst zufrieden, davon.
Es war schwer, sich eine kläglichere, gemeinere, dümmere, fadere Allegorie als diese »literarische Quadrille« vorzustellen. Man hätte nichts ersinnen können, was für unser Publikum weniger geeignet gewesen wäre, und dabei hatte diese Quadrille, wie gesagt wurde, Karmasinow ausgedacht. Arrangiert hatte sie allerdings Liputin nach Beratungen mit eben jenem lahmen Lehrer, der an der abendlichen Zusammenkunft bei Wirginski teilgenommen hatte. Aber Karmasinow hatte doch die Idee dazu geliefert und hatte sogar, wie man sagte, sich selbst verkleiden und eine besondere, selbständige Rolle übernehmen wollen. Die Quadrille bestand aus sechs Paaren von kläglichen Masken; eigentlich waren es gar keine Masken, da die betreffenden Personen ebensolche Kleider trugen wie alle andern. So hatte zum Beispiel ein bejahrter Herr von kleiner Statur einen Frack an, war, mit einem Worte, ebenso gekleidet wie alle Leute; nur hatte er sich einen würdevollen, grauen Bart angeheftet, und darin bestand sein ganzes Maskenkostüm; dieser Herr tanzte mit ernstem Gesichtsausdrucke immer auf einem Fleck herum, indem er mit raschen, kleinen Schritten umhertrippelte und sich fast nicht von der Stelle bewegte. Er stieß mit einer leidlichen, aber heiseren Baßstimme einige Laute aus, und diese heisere Stimme sollte eine bekannte Zeitung bedeuten. Dieser Maske gegenüber tanzten zwei Riesen
X
und
Z,
und diese Buchstaben waren ihnen an den Frack angeheftet; aber was diese Buchstaben
X
und
Z
bedeuteten, blieb unaufgeklärt. »Der ehrenhafte russische Gedanke« wurde von einem Herrn in mittlerem Alter dargestellt, mit Brille, Frack, Handschuhen und – Fußfesseln (echten Fußfesseln). Unter dem Arm trug dieser Gedanke ein Portefeuille mit irgendwelchen Akten. Aus seiner Tasche schaute ein aus dem Auslande gekommener, erbrochener Brief hervor, der für alle Zweifler eine Bescheinigung über die Ehrenhaftigkeit des »ehrenhaften russischen Gedankens« enthielt. All dies wurde von den Festordnern mündlich auseinandergesetzt; denn lesen konnte man natürlich den aus der Tasche heraussehenden Brief nicht. In der erhobenen rechten Hand hielt der »ehrenhafte russische Gedanke« ein Trinkglas, wie wenn er einen Toast ausbringen wollte. Rechts und links neben ihm trippelten zwei Nihilistinnen mit kurz geschorenem Haar umher, und
vis-à-vis
tanzte ein ebenfalls bejahrter Herr im Frack, aber mit einem schweren Knittel in der Hand; er stellte angeblich ein nicht in Petersburg erscheinendes Revolverjournal »Wen ich kriege, dem wasche ich den Kopf!« dar. Aber trotz
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