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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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seines Knittels konnte er die Blicke, die der »ehrenhafte russische Gedanke« durch seine Brillengläser beharrlich auf ihn richtete, nicht ertragen und bemühte sich zur Seite zu sehen, und wenn er einen
pas de deux
ausführte, so drehte und wand er sich und wußte nicht, wo er bleiben sollte; so quälte ihn wahrscheinlich das Gewissen ... Übrigens kann ich mich nicht auf all diese albernen Einfälle besinnen; es war alles von derselben Art, so daß ich mich schließlich in peinlichem Grade schämte. Und siehe da, diese selbe Empfindung der Scham prägte sich auch auf den Gesichtern des ganzen übrigen Publikums aus, sogar in den mürrischen Physiognomien derjenigen, die aus dem Büfettzimmer gekommen waren. Eine Zeitlang schwiegen alle und sahen mit unwilligem Staunen zu. Wer sich schämt, wird gewöhnlich unwillig und bekommt Lust zu schimpfen. Allmählich machte sich im Publikum ein dumpfes Gemurmel hörbar.
    »Was soll denn das vorstellen?« brummte in einer Gruppe ein Büfettfreund.
    »Irgendeine Dummheit.«
    »Etwas aus der Literatur. Der Golos wird kritisiert.«
    »Was kümmert das mich?«
    In einer andern Gruppe:
    »Die Esel!«
    »Nein, sie sind keine Esel, sondern wir sind Esel.«
    »Warum bist du ein Esel?«
    »Nein, ich bin kein Esel.«
    »Na, wenn du kein Esel bist, dann bin ich schon lange keiner.«
    In einer dritten Gruppe:
    »Man müßte ihnen allen einen Fußtritt geben und sie zum Teufel jagen!«
    »Den ganzen Saal in Aufregung zu bringen!«
    In einer vierten:
    »Daß sich bloß die Lembkes nicht schämen, dabei zuzusehen!«
    »Warum sollen sie sich schämen? Du schämst dich ja auch nicht!«
    »Doch, ich schäme mich; und er ist doch der Gouverneur.«
    »Und du bist ein Schafskopf.«
    »In meinem ganzen Leben habe ich noch keinen so ordinären Ball gesehen,« sagte giftig dicht neben Julija Michailowna eine Dame, offenbar mit der Absicht, von dieser gehört zu werden.
    Diese Dame war etwa vierzig Jahre alt, stämmig, geschminkt; sie trug ein grellfarbiges Seidenkleid; in der Stadt kannten sie fast alle; aber niemand empfing sie. Sie war die Witwe eines Staatsrates, der ihr ein hölzernes Haus und eine kärgliche Pension hinterlassen hatte; aber sie lebte auf großem Fuße und hielt sich Wagen und Pferde. Vor zwei Monaten hatte sie der neuen Frau Gouverneur ihrerseits zuerst einen Besuch gemacht, war aber nicht angenommen worden.
    »Das war ja auch vorherzusehen,« fügte sie hinzu, indem sie Julija Michailowna frech ins Gesicht blickte.
    »Wenn Sie das vorhersehen konnten, warum sind Sie denn dann hergekommen?« konnte sich Julija Michailowna nicht enthalten zu entgegnen.
    »Aus Harmlosigkeit,« erwiderte die schlagfertige Dame sofort und setzte sich mit einem Ruck in Positur (sie hatte die größte Lust, mit Julija Michailowna anzubinden); aber der General trat zwischen die beiden:
    »Chère dame,«
sagte er, sich zu Julija Michailowna hinbeugend, »Sie sollten wirklich wegfahren. Wir genieren hier die Leute nur, und sie werden sich ohne uns vorzüglich amüsieren. Sie, meine Gnädige, haben alles getan; Sie haben ihnen den Ball eröffnet; nun, so überlassen Sie denn jetzt die Leute sich selbst ... Und auch Andrei Antonowitsch scheint sich nicht voll-stän-dig wohl zu fühlen ... Daß nur nicht noch ein Malheur passiert!«
    Aber es war schon zu spät.
    Andrei Antonowitsch hatte während der ganzen Quadrille den Tanzenden mit einer Art von zornigem Erstaunen zugesehen; aber als nun die lauten Bemerkungen im Publikum anfingen, begann er unruhig um sich zu blicken. Da fielen ihm zum erstenmal einige Persönlichkeiten aus dem Büfettzimmer in die Augen, und sein Blick drückte die größte Verwunderung aus. Plötzlich erscholl ein lautes Gelächter über ein Kunststück in der Quadrille; der Herausgeber des »nicht in Petersburg erscheinenden Revolverjournals«, der mit dem Knittel in der Hand tanzte, fühlte endlich, daß er die auf ihn gerichteten Brillengläser des »ehrenhaften russischen Gedankens« nicht länger ertragen konnte, und da er nicht wußte, wo er vor seinem Visavis bleiben sollte, ging er in der letzten Tanzfigur diesem plötzlich auf den Händen mit den Beinen nach oben entgegen, was (wie ich anmerke) das beständige Auf-den-Kopf-Stellen des gesunden Menschenverstandes in dem »nicht in Petersburg erscheinenden Revolverjournal« versinnbildlichen sollte. Da nur Ljamschin auf den Händen zu gehen verstand, so hatte er es übernommen, den Herausgeber mit dem Knittel darzustellen.

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